Lehrer Sachsen: Zukunft gestalten!

Bildungspolitik gilt als Domäne der Bundesländer. Hier können sie eigene Wege gehen und Gestaltungswillen demonstrieren. Hier könnten sie die Basis schaffen, um das jeweilige Land, in diesem Falle als Wirtschaftsstandort betrachtet, gegenüber anderen Ländern in eine bessere Position zu bringen. Dass mehr Bildung mehr Zukunft bedeutet, ist unbestritten. Trotzdem ist von einem Bildungswettbewerb wenig zu spüren. Längst wird die Bildungspolitik nicht in den jeweiligen Kultus-, sondern in den jeweiligen Finanzministerien der Länder gemacht. Ohne mich als Zentralisten outen zu wollen, halte ich das für keinen großen Fortschritt zu der Zeit vor den Föderalismusreformen.

Zukunft gestalten!

Auch tarifpolitisch haben sich die Sonderwege einiger Länder bisher noch nicht ausgezahlt. Berlin hat das eingesehen und ist in die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) zurückgekehrt. Hessen scheint zwar am Sonderweg keine rechte Freude mehr zu haben, scheut aber aus Angst vor Gesichtsverlust den Weg zurück. Einen anderen Weg geht Sachsen. Die stehen treu zur TdL, ihr Finanzminister ist sogar stellvertretender Vorsitzender dort. Von innen heraus gelingt es dem Land ganz hervorragend, eine tarifliche Entgeltordnung für Lehrkräfte zu verhindern. Sicherlich ist Sachsen nicht der einzige Gegner einer solchen Entgeltordnung, ganz sicher aber die Speerspitze des Widerstands. Das ist bedauerlich, weil klar ist, dass dies nur ein Kampf auf Zeit ist. Auf die Dauer ist solch eine tarifliche Entgeltordnung ganz unausweichlich, wenn Sachsen und die anderen Länder junge Menschen überhaupt noch dazu bringen wollen, statt Jurist oder Ingenieur Lehrer zu werden. Statt nun aber die Zukunft zu gestalten, verlegt sich Sachsen darauf, die Gegenwart möglichst weit in die Zukunft zu verlängern. Das bedeutet konkret: Zwar hat man im Freistaat darauf verzichtet, Lehrer zu verbeamten, aber eine Entgeltordnung für Lehrkräfte wird bisher verweigert. Nur so konnte das Thema „Entgeltordnung Lehrkräfte“ zum Dreh- und Angelpunkt in der zurückliegenden Einkommensrunde werden und nur so konnte es geschehen, dass viele Tausend Lehrerinnen und Lehrer, denen es an sich sehr fern liegt zu demonstrieren und zu streiken, zu einer der tragenden Säulen der Aktionen während der Einkommensrunden 2011 und 2013 wurden.

Sächsische Staatsregierung sollte sich hinterfragen

Im Vorfeld der Einkommensrunde 2013 haben wir in Sachsen, gemeinsam mit der GEW, bereits mehrere beeindruckende Aktionen hingelegt. Anfang September 2012 haben etwa 15.000 sächsische Lehrkräfte den Dresdner Landtag „belagert“ und Mitte November haben wir über mehrere Tage hinweg an Sachsens Schulen gestreikt. Die Bereitschaft der Kolleginnen und Kollegen dort war beeindruckend. Während der Einkommensrunde 2013 haben wir erneut tatkräftig gestreikt und auch überlegt, die Aktionen noch zu verschärfen. Viele Lehrerinnen und Lehrer haben das gefordert. Letztlich haben wir davon abgesehen, die Brechstange auszupacken, weil das jeglicher friedlicher Verhandlung die Basis entzogen hätte. Friedliche Verhandlungen führen wir allerdings derzeit in Sachsen mit Finanz- und Kultusministerium. Allerdings: Vertreter des Freistaats Sachsen würden an dieser Stelle meines Essays aufschreien und darauf hinweisen, dass es sich nur um Gespräche handele. Meinetwegen! Uns geht es darum, etwas für die Kolleginnen und Kollegen vor Ort zu erreichen. Ob uns das in Gesprächen oder Verhandlungen gelingt, ist letztlich egal. Allerdings sollte die sächsische Staatsregierung sich einmal fragen, warum sie so große Probleme mit tarifautonomen Verhandlungen hat. Wir haben das nicht. Deshalb haben wir bis jetzt auf umfassendere Streiks verzichtet.

Wer die Entwicklung im Bereich Lehrkräfte seit Einführung des TV-L Revue passieren lässt, stellt fest, dass die Lehrkräfte vor acht, neun Jahren noch am Rande der Aktionen standen. Das hat sich geändert! Grundlegend!

Bildungs- oder Bezahlungswettbewerb?

Es gehört kein großes Sehertum dazu, vorherzusagen, dass sich diese Entwicklung noch verstärken wird, und dass sie nicht auf den Arbeitnehmerbereich beschränkt bleiben wird. Wenn zum Beispiel die nordrhein-westfälische Landesregierung bei der Besoldungsanpassung ab A13 eine Nullrunde durchsetzen will, sagt sie damit auch, was sie von ihren Lehrkräften hält. Sarkastisch könnte man sagen, da Sachsen seine Lehrkräfte nicht verbeamtet, gibt es dort zumindest dieses Problem nicht. Ansonsten jedoch wird es Sachsen als Standort im Wettbewerb mit anderen Ländern schwer haben, seinen schlecht bezahlten Lehrerinnen und Lehrern eine Zukunft zu bieten, die diese davon abhält, ins nahe Bayern zu wechseln. Dieser Bezahlungswettbewerb ist aber kein Ersatz für den Bildungswettbewerb, dessen Fehlen ich oben beklagt habe.

Diesen Wettbewerb kann man nur mit motivierten Lehrern gewinnen. Dazu gehört: Der Nachwuchs muss spüren, dass er gewollt ist, dass das Pädagogikstudium keine Karrierefalle ist und verdiente Pädagogen müssen sich darauf verlassen können, dass sie zum Ende ihrer Laufbahn hin nicht wie eine Zitrone ausgequetscht werden, sondern die Chance haben, in einer Altersteilzeit, die nicht zur Altersarmut führt, den Ausklang zu finden. Das sind Forderungen, die nicht überhöht sind, sondern schlicht den Anforderungen an ein gutes Schulsystem entsprechen. Das nämlich gibt es nicht zum Nulltarif. Genau darum streiten wir mit dem sächsischen Freistaat, in Gesprächen, in Verhandlungen und notfalls auch auf der Straße.

Von Willi Russ

 

zurück