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Beamte: Mehr Einheitlichkeit bei Besoldung und Versorgung

Der dbb fordert für Beamte mehr Einheitlichkeit bei der Besoldung und im Dienstrecht. „Wir haben mit Bund und Ländern heute 17 verschiedene Gesetzgeber. Die Arbeitsbedingungen für Beamte sind ein entsprechend kleinteiliger Flickenteppich. Bezahlung, Arbeitszeit oder Karrierewege sind nur einige Beispiele dafür. Dieser Föderalismus tut Deutschland nicht gut“, sagte der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik Hans-Ulrich Benra am 25. Mai 2016 zur Eröffnung des dbb forums ÖFFENTLICHER DIENST. Die neue Veranstaltung widmete sich in diesem Jahr dem Thema „Zehn Jahre Föderalismusreform(en)“.

Die 2006 von Bundestag und Bundesrat beschlossene Föderalismusreform war ein erster großer Schritt zur Neuordnung der Beziehung zwischen Bund und Ländern, 2009 folgte der zweite. Damit wurde die Gesetzgebungskompetenz für wesentliche Teile des Beamtenrechts vom Bund auf die Länder übertragen. „Wir haben schon vor der Verabschiedung eindringlich vor den Konsequenzen gewarnt“, sagte Benra. „Der entstandene Wettbewerbsföderalismus hat den Kampf um die besten Köpfe zwischen den Dienstherren befeuert, obwohl die wirtschaftlicher Bedingungen höchst unterschiedlich sind. Die Folge: Finanzschwache Bundesländer geraten immer stärker ins Hintertreffen. Das darf nicht sein. Denn es geht hier um wesentliche Pfeiler der flächendeckenden Daseinsvorsorge wie etwa Bildung, Sicherheit und eine bürgernahe Verwaltung.“ Letztlich sei dies eine Gefahr für die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland. „Staatliche Fürsorge darf qualitativ wie quantitativ keine Frage der Himmelsrichtung sein“, so Benra.

Müntefering: Dritte Föderalismusreform nicht in Sicht

Pro- und Contra-Positionen zum Thema der Veranstaltung machten zunächst der Bundesminister a. D. Franz Müntefering, einer der „Väter“ der Föderalismusreform, und Annegret Kramp-Karrenbauer, Ministerpräsidentin des Saarlandes, in Impulsvorträgen und Streitgespräch deutlich. Im Anschluss stellte Paul Johannes Fietz, Leiter der Abteilung Öffentlicher Dienst im Bundesinnenministerium, die Dienstrechtsreform des Bundes vor und diskutierte mit dem Publikum. Am Nachmittag analysierten und debattierten Juristen, Praktiker und Betroffene in zwei Fachforen Kernthemen, die mit den Föderalismusreformen I und II verbunden sind: Besoldung/ Versorgung und Laufbahnrecht.

Der ehemalige Bundesminister Franz Müntefering, der 2003 als Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion die Einrichtung einer Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundestaatlichen Ordnung vorgeschlagen hatte und dann gemeinsam mit dem damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber der ersten Föderalismuskommission vorsaß, leitete seinen Impulsvortrag mit einem kurzen historischen Überblick ein. Müntefering erinnerte daran, dass der Wunsch nach einer Neuordnung des föderalen Gefüges in Deutschaland schon nach der Wiedervereinigung 1990 aufkam. Insbesondere nach dem Regierungswechsel 1998 beim Bund von CDU/FDP zu SPD/Grüne, bei dem erstmals seit 1949 die gesamte Regierung wechselte und sich auch die Machtverhältnisse zwischen Bundestag und Bundesrat noch einmal veränderten, habe der Wunsch nach einer grundlegenden Reform neue Nahrung bekommen. Außerdem habe die Frage nach der Positionierung Deutschlands in einer sich politische vertiefenden und geografisch erweiternden Europäischen Union neue Brisanz bekommen.

Müntefering verwies darauf, dass die Kommission in politisch turbulenten Zeiten gearbeitet habe, etwa durch die Neuwahlen zum Bundestag im Jahr 2006. „Bund und Länder hatten unterschiedliche Ziele. Aber die Konfliktlinien sind nicht immer entlang der klassischen Routen verlaufen“, blickte Müntefering zurück. „Im Grunde war jede Position sowohl beim Bund, den Ländern, den Kommunen als auch in jeder Partei zu finden. Es war kein runder Tisch, eher ein mindestens achteckiger.“ Auch beim Dienstrecht habe es etwa unter den Bundesländern sehr unterschiedliche Positionen gegeben. Wie auch bei der Positionierung in Europa drängten aber insbesondere die großen Bundesländer darauf, dass die Gesetzgebungskompetenz in erster Linie bei den Ländern liegen solle, während für den Bund zuvorderst ein Interesse daran bestand, die Zahl der im Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetze zu minimieren. Letztlich habe man sich für eine „klare Trennung“ entschieden und die Rahmengesetzgebung des Bundes aufgegeben, wodurch die Gestaltung der Besoldung, Versorgung und des Dienstrechts für die jeweiligen Beamten auf die einzelnen Länder überging.

Aus heutiger Sicht, so Müntefering, sei es bedauerlich, dass mit den Föderalismusreformen die Gemeinschaftsaufgaben mit gemeinsamer Finanzierung durch Bund, Länder und Kommunen weggefallen seien. Ganz aktuell seien der Umgang mit den Geflüchteten und auch mit den demografischen Herausforderungen Beispiele, die in ein solches Modell gepasst hätten. Außerdem führten die großen „Binnenwanderungen“ aus finanziell schlechter gestellten in wirtschaftlich stärkere Bundesländer dazu, dass die vom Grundgesetz postulierte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland nicht mehr gewährleistet sei. Dies sei auch ein Grund, warum der oft gepriesene Wettbewerbsföderalismus nicht funktioniere, die Startvoraussetzungen seien schlicht zu unterschiedlich. „Wettbewerb ist gut“, sagte der Bundesminister a.D., „aber er muss fair sein.“ Staatliches Handeln müsse Gerechtigkeit ermöglichen.

Eine dritte Föderalismusreform sehe er in naher Zukunft nicht, erklärte Müntefering. Vielmehr gehe es darum, den derzeitigen Rahmen auszugestalten. In Bezug auf die beamtenrechtlichen Regelungen verwies er mit einem Augenzwinkern auf den Artikel 33 des Grundgesetzes: „Dort heißt es ‚Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln‘. Wie die Fortentwicklung aussehen kann, das gilt es noch zu ergründen.“

Kramp-Karrenbauer: Bund-Länder-Finanzbeziehungen rasch neu regeln

Annegret Kramp-Karrenbauer, Regierungschefin des Saarlandes und damit eines Haushaltsnotlandes, brachte gleich zu Beginn ihres Impulsvortrages auf den Punkt, was sie von der Föderalismusreform I hält: „Ich löffle heute noch an der Suppe, die uns die Ministerpräsidenten damals eingebrockt haben.“ Als saarländische Innenministerin (2000-2007) sei sie eher auf Seiten des dbb gewesen, der die Reform kritisch sah, und habe sich wie der gewerkschaftliche Dachverband Sorgen wegen des Wettbewerbsföderalismus‘ gemacht. „Wir haben uns gefragt, was aus den Ländern wird, die mit weniger Finanzmitteln ausgestattet sind als die ‚Großen‘.“ Zurecht, wie sich heute zeige.

Kramp-Karrenbauer, seit den 1990er Jahren politisch aktiv, räumte ein, dass es Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst schon seit dieser Zeit gegeben habe. Das Saarland habe versucht, mit den neuen Zuständigkeiten nach den Föderalismusreformen verantwortungsvoll umzugehen, „immer in enger Abstimmung mit den gewerkschaftlichen Interessenvertretungen“. Im Laufbahnrecht, so die CDU-Politikerin, bewege man sich „in gutem Rahmen“. Schwieriger sei die Frage der Besoldung. Personalkosten seien nun mal der größte Posten im Landeshaushalt. An einen Ausstieg aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) denke das Saarland trotz seiner Finanznöte nicht, versicherte die Ministerpräsidentin. Allerdings werde aus ihrer Sicht in der TdL immer mit Blick auf die stärksten Länder verhandelt. „Der einfachste Weg für uns war und ist bis heute, das Tarifergebnis dann nicht wirkungsgleich auf die Beamtinnen und Beamten zu übertragen“ - als „Notausgang“ sozusagen. Nullrunden oder Einmalzahlungen anstelle von linearen Einkommenssteigerungen habe es in der Vergangenheit durchaus gegeben, blickte Kramp-Karrenbauer zurück. Die mit der Föderalismusreform II eingeführte Schuldenbremse sei sicher richtig, enge aber den Spielraum ihres Landes sehr stark ein.

Als Konsolidierungsland bekommt das Saarland 260 Millionen Euro Finanzhilfen jährlich von Bund und Ländern. „Wir haben ein striktes Haushaltsregime und das wird auch sehr kritisch überwacht“, sagte Kramp-Karrenbauer. Um die notwendigen Einsparungen zu erreichen, habe man sich mit dem dbb Landesbund und anderen Gewerkschaften darauf verständigt, die Anzahl der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst weiter zu verringern, gleichzeitig aber die Arbeitsbedingungen zu verbessern – „ein angesichts der Arbeitsverdichtung auch sehr notwendiger Schritt“. Allerdings komme man auch mit solchen Maßnahmen an ein Ende, wo die Ungerechtigkeit zu groß werde, räumte die Regierungschefin ein.

Flexibilität sei gefragt, auch um in der Flüchtlingspolitik zu bestehen: „Wir brauchen eine faire Lastenteilung mit dem Bund, sonst sind Länder und Kommunen auf Dauer überfordert.“ Sie wünsche sich, dass es sehr bald zu einer Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen komme, „denn Haushaltsnotländer brauchen eine andere finanzielle Ausstattung, um ihre föderalen Aufgaben erfüllen zu können“, so Kramp-Karrenbauer. „Wir müssen die Schuldenbremse einhalten, aber auch die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gewährleisten.“

Das Kooperationsverbot im Bildungsbereich bezeichnete Kramp-Karrenbauer als einen „Kernbereich“ der Länderzuständigkeit. „Wir müssen aber zu mehr Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit kommen, damit das Umziehen von Familien mit Schulkindern in ein anderes Bundesland nicht länger ein kaum zu meisterndes Abenteuer bleibt. Das wäre vernünftig und machbar“, zeigte sich die Politikerin überzeugt.

Fietz: Verpflichtung zum Blick über den Tellerrand

Um einen Ausgleich zwischen Kritikern und Befürwortern der Föderalismusreformen bemühte sich Paul Johannes Fietz, Abteilungsleiter Öffentlicher Dienst im Bundesministerium des Innern. Nach seiner Auffassung sind die politischen Reformziele weitgehend erreicht, jedes Bundesland habe seinen eigenen Weg im Umgang mit der neuen Regelungskompetenz gefunden. Einerseits hätten die Reformen Innovationen wie etwa die Einführung eines Altersgeldes für freiwillig aus dem Dienst ausscheidende Beamte, Richter und Soldaten als Alternative zur bis dahin obligatorischen Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung überhaupt erst ermöglicht. Andererseits sei es zwar richtig, dass die Föderalismusreform die Differenzen bei Einkommen, Verbeamtungspraxis und Dienstrecht zwischen den Bundesländern vergrößert habe. Den Blick für die Verantwortung für das „politische Ganze“ habe die Reform aber nicht „zerlegt“.

In diesem Zusammenhang werde auch der Wettbewerbsgedanke im Dienstrecht „in seinem Umfang überschätzt“: Die einst von Kritikern befürchtete flächendeckende Besoldungsspirale nach unten sei ausgeblieben. So seien die Unterschiede zwischen den Bundesländern heute nicht so groß wie einst befürchtet. Auch seien die Effekte der Abwerbe-Praxis, des „Heldenklau stärkerer Bundesländer bei schwächeren“, bei weitem nicht so gravierend ausgefallen wie gedacht. „Die Motivation für einen Dienstherrenwechsel kann sehr individuell sein und lässt sich nicht allein an der Besoldung festmachen“, zeigte sich Fietz überzeugt: „Der Hauptgegner im Wettbewerb ist und bleibt die Privatwirtschaft.“

Fietz betonte, Föderalismus bedeute nicht, jegliche politische Verantwortung jenseits der eigenen Regelungskompetenz abzugeben. Vielmehr sei eine überregionale Harmonisierung des Dienstrechts verfassungsmäßig und politisch geboten: „Gelebter Föderalismus heißt nicht, dass jeder seins macht. Die Dienstherren sind dazu verpflichtet, über den Tellerrand ihres Landesrechts hinaus zu blicken.“ Dazu gehöre es auch, das positive Image des öffentlichen Dienstes im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft zu stärken, um die Attraktivität der Arbeitsplätze zu erhalten. So sei zum Beispiel das System der Beamtenversorgung mit seinem Leistungsprinzip ein Wettbewerbsfaktor, dessen Finanzierbarkeit gesichert und der gegen immer wieder laut werdende Vorurteile verteidigt werden müsse. Forderungen zur Überführung der Beamtenversorgung in die gesetzliche Rente erteilte Fietz eine klare Absage: „Das würde nichts besser machen, weder für die Betroffenen, noch für die Alterssicherungssysteme insgesamt.“ Daher sei auch die Auffassung so mancher Landesregierung, „wenn beim Sparen nichts mehr geht, Beamte gehen immer“, der falsche Weg. Zielführend sei vielmehr das stetige Bemühen um einen vernünftigen Ausgleich der Interessen.

Forum I: Besoldung zwischen Wettbewerb und Spardiktat

Mit den finanziellen Folgen der Übertragung der beamtenrechtlichen Kernkompetenzen vom Bund auf die einzelnen Länder beschäftigte sich das Fachforum „Besoldung und Versorgung in Bund und Ländern: Zwischen Wettbewerb und Spardiktat“. Anders als Paul Johannes Fietz zeigten sich die Fachleute in der von Andreas Becker, Abteilungsleiter Besoldung und Versorgung dbb Bundesgeschäftsstelle, moderierten Expertenrunde überzeugt, dass ein „negativer Besoldungswettlauf“ in der Alimentation der Beamten nach unten seit 2006 nicht von der Hand zu weisen ist. Bis zu 20 Prozent beträgt mittlerweile die Besoldungsdrift zwischen dem die Landes- und Kommunalbeamten am besten bezahlenden Freistaat Bayern und der Hauptstadt Berlin, die im bundesweiten Ranking abgeschlagen auf dem letzten, dem 17. Platz landet. Das bedeutet bei gleicher Besoldungsgruppe nach 35 Dienstjahre einen Unterschied im Aktiveinkommen von knapp 260.000 Euro; nimmt man den Verlust im Ruhestand hinzu, summiert sich der dienstortbedingte Verlust gar auf weit über 300.000 Euro.

„Da stellt sich die Frage, ob das wirklich noch eine verfassungskonforme amtsangemessene Alimentation ist“, fand Dr. Ulrich Peters, ehemaliger Referatsleiter Besoldung und Versorgung im Finanzministerium Nordrhein-Westfalen. Mehr als eine Million Widersprüche von Beamtinnen und Beamten seien seit 2006 beim nordrhein-westfälischen Landesamt für Besoldung und Versorgung aufgelaufen. Aus Sicht des Haushaltsgesetzgebers habe sich die Kompetenzverlagerung gleichwohl gelohnt: Die quasi hausgemachten Einsparungen am Personalkörper zeigten durchaus Wirkungen, die den finanziellen Rahmenbedingungen des Landes – Stichwort Schuldenbremse – Rechnung tragen. Ob dies allerdings den immensen Bürokratieaufwand – „17 mal gleichzeitig wird da jeweils eine aufwendige Gesetzgebungsmaschinerie in Gang gesetzt“ – und das „Wirrwarr“ an Besoldungs-, Versorgungs- und teilweise auch Beihilferegelungen rechtfertige, bei dem mittlerweile selbst Fachleute nur noch schwer den Überblick behalten, wagte Peters zu bezweifeln. Sein Appell: „Die Grundbesoldung in Bund und Ländern sollte nicht weiter auseinander driften, für regionale oder fachliche Besonderheiten könnten sich die jeweiligen Gesetzgeber auf den Bereich von Zulagen und Sonderzahlungen beschränken.“

Als „Erfolgsmodell“ bezeichnete dagegen Anita Hartung, Referatsleiterin Besoldung und Versorgung im Sächsischen Staatsministerium der Finanzen, die Ausgestaltung der beamtenrechtlichen Kompetenzübertragung, die in ihrem Bundesland 2013, relativ spät, umgesetzt wurde. Hartung erläuterte die zahlreichen Maßnahmen, die der Freistaat in Ausübung der neuen Kompetenzen ergriffen hat, beispielsweise beim Familienzuschlag, der Einführung eines Personalgewinnungszuschlags, dem Ausbau des Prämiensystems, den erhöhten Anwärterbezügen oder der Schaffung eines Altersgeldes zur Förderung der Mobilität sowie Verbesserungen bei der Beihilfe . Über die konkreten Auswirkungen könne man freilich aufgrund der noch kurzen Bestandsphase noch keine Aussagen treffen, aber Sachsen sei entschlossen, in der Föderalisierung eine Chance für die Schaffung von mehr Wettbewerbsfähigkeit zu sehen – „im Sinne eines Prozesses, der ständig überprüft werden muss.“

Dr. Joachim Vetter, Abteilungsleiter Recht der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, zeichnete die Historie der Föderalismusreform nach. Ausgehend von den ersten Anregungen für eine Föderalisierung des Beamtenrechts durch den seinerzeit Regierenden Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, die seit 2002 von diesem forciert wurden und zunehmend Unterstützer in den Ländern fanden – motiviert von einem „Rausch vom Sparen, bis es quietscht“. „Heute haben wir als Folge der Föderalisierung des Beamtenrechts sehr deutliche Besoldungsunterschiede“, konstatierte auch Vetter, „16 von 17 Dienstherren sind nach unten vom Tarifniveau abgewichen.“ In der Folge werde es zunehmend schwieriger, qualifizierten und leistungsstarken Nachwuchs für die Berliner Verwaltung zu finden, wo in den kommenden Jahren jeder vierte Beschäftigte in den Ruhestand gehen wird, also bis zu 15.000 neue Mitarbeiter rekrutiert werden müssen. Der Notendurchschnitt bei Abschlussprüfungen an der Landes-Verwaltungsakademie liege mittlerweile zwischen 3,6 und 4 – „da noch von Attraktivität des Berufsbildes zu sprechen, ist eine Illusion“, so Vetter.

Daniel Christians, Referatsleiter Besoldung im Bundesinnenministerium (BMI), fragte provokant: „Ein Leben ohne Bundeseinheitlichkeit – möglich, aber sinnlos?“ Sein Resümee nach zehn Jahren Föderalismus fiel ernüchtert aus: „Die neue Gestaltungsfreiheit wurde kaum im Grundsätzlichen genutzt, vieles erfolgte im Kleinteiligen und bei den Anpassungen an den jeweiligen Tarifabschluss.“ Wie man sich beispielsweise über Jahre mit Details wie der Ausgestaltung des Zuschlags bei begrenzter Dienstunfähigkeit befassen könne, sie schlicht „irre“, so Christians. Er erinnerte noch einmal an die 2004 von dbb, ver.di und Bundesinnenminister Otto Schily vorgelegten Eckpunkte „Neue Wege im öffentlichen Dienst“, die eine Fortführung der Bundeseinheitlichkeit des Beamtenrechts unter Einführung weitreichender Individualisierungs- und Flexibilisierungsmöglichkeiten durch die verschiedenen Dienstherren vorsahen. Im Rückblick müsse man nun leider feststellen, dass die Abweichungsbandbreiten die von den Eckpunkten vorgesehenen mittlerweile deutlich überschritten, so Christians. „Die neue Kleinteiligkeit führt zu größerer Situationsgerechtigkeit, gleichzeitig aber auch zu Widersprüchlichkeit und Unübersichtlichkeit.“ Man müsse sich fragen, ob die zunehmende Parzellierung des deutschen Beamtenrechts – an sich schon ein Unikum in Europa – vor dem Hintergrund der immer stärker werdenden Relevanz europäischer Rechtsprechung nutze, „oder ob sie nicht eher schadet“.

Die große Sorge aller Experten am Ende der Diskussionsrunde galt der Beamtenversorgung, die, zumal angesichts der wieder aktuellen Alterseinkommensdebatte, „zum nächsten Schlachtfeld“ (Peters) zu werden drohe. Vetter erinnerte pessimistisch an die beliebte Politiker-Weisheit: „Wenn nichts mehr geht – bei den Beamten geht immer was“. Hartung dagegen führte die Versorgungsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an, die ebenso wie eine neue vom BMI bei Prof. Gisela Färber (Universität Speyer) in Auftrag gegebene Studie belegt, dass mit den bereits erfolgten Versorgungskürzungen schon mehr bewirkt worden sei als im Bereich der Rente. Überzeugt zeigten sich alle Fachleute davon, dass sich in Sachen Beamtenrechtsföderalisierung so schnell nichts ändern werde – obwohl eine Rückführung zur Bundeseinheitlichkeit durchaus wünschenswert wäre, wie Ulrich Peters formulierte.

Forum II: Laufbahnrecht und Freizügigkeit

Im Forum Dienstrecht, das unter dem Motto „Laufbahnrecht und Freizügigkeit: Eine Bilanz“ stand, wurden drei nach der Föderalismusreform unterschiedliche Laufbahnmodelle in Bund und Ländern vorgestellt. Während Dr. Alexander Voitl vom bayerischen Finanzministerium selbstbewusst das Modell der eigenen Landesregierung von nur noch einer Leistungslaufbahn verteidigte, erläuterte Dr. Thomas Darsow vom Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern die Vorteile des dortigen zweigliedrigen Laufbahnrechts, und Dr. Wolfgang Wonneberger vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales argumentierte für das viergliedrige Laufbahnrecht des Bundes. Im Ergebnis zeigte sich, dass sich jedes Modell im eigenen Bereich bewährt hat und dass der Wechsel zwischen Dienstherren auch weiterhin möglich ist, aber größeren Prüfungsaufwand erfordert.

Wonneberger zog für den Bund zunächst einmal eine positive Gesamtbilanz der dienstrechtlichen Entwicklung seit 2006. So sei etwa die Zahl der Laufbahnen von 125 auf neun je Laufbahngruppe gesunken. Größere Ermessensspielräume bei Bewertung und Beförderung ermöglichten zudem eine flexiblere Personalführung. Problematisch seien aus Sicht des Bundes die Auswirkungen des Bologna-Prozesses. Die enorme Zahl und Unterschiedlichkeit der inzwischen zugelassenen Studienabschlüsse und das Fehlen einer einheitlichen Verfahrensweise bei deren Anerkennung für den öffentlichen Dienst zögen einen stark gestiegenen Prüfaufwand nach sich. Darsow erinnerte daran, dass das Schweriner Modell mit zwei Laufbahngruppen auf eine Initiative der norddeutschen Küstenländer zurückgeht. Mit Hilfe eines einheitlichen Laufbahnrechts wollte man die länderübergreifende Mobilität sichern und einen Wettbewerb über das Dienstrecht verhindern. Durch eine verbesserte Anerkennung beruflicher Erfahrungen jenseits des öffentlichen Dienstes und die Möglichkeit, Neueinstellungen oberhalb des Einstiegsamtes vorzunehmen, sei der Personalaustausch mit der Privatwirtschaft erleichtert worden. Zudem gebe es auch in den Nordländern heute nur noch 10 statt zuvor 100 Fachrichtungslaufbahnen.

Voitl sagte, nach der Föderalisierung des Dienstrechts 2006 („historisch übrigens die Regel, nicht die Ausnahme“) habe die bayerische Landesregierung einen radikalen Schnitt gemacht: Eine einzige Leistungslaufbahn mit sechs gebündelten Fachlaufbahnen und vier Qualifikationsebenen. Beförderungen gebe es nur noch nach Leistung und nicht nach Dienstalter oder Wartezeiten; hier stehe das Modell der modularen Qualifizierung. . Außerdem sei die Fort- und Weiterbildung massiv ausgebaut worden. Alle diese Mobilisierungs- und Flexibilisierungsmaßnahmen hätten natürlich nur Sinn, wenn auch die für einen Aufstieg notwendigen Stellen in ausreichender Zahl zur Verfügung stünden. Deshalb habe der Freistaat allein seit 2009 über 52.000 Stellenhebungen vorgenommen. All das, so Voitl, sei „keine Beamtenbeglückung, sondern Standortvorteil für Bayern.“ Günter Schönwald, Abteilungsleiter beim dbb, zog für den gewerkschaftlichen Dachverband eine eher skeptische Föderalismus-Bilanz. Der Dienstherrenwechsel sei durch die Vielzahl der Laufbahnmodelle sicher nicht einfacher geworden. Außerdem nütze das beste Laufbahnrecht nichts, „wenn nicht auch ausreichend Stellen zur Verfügung stehen.“

Helene Wildfeuer, die Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, wies in der anschließenden Diskussion darauf hin, dass eines der Hauptprobleme des Personalmanagements im öffentlichen Dienst weiterhin darin bestehe, dass es dem Personalmanagement im öffentlichen Dienst bei aller rechtlichen Gleichstellung weiterhin nicht wirklich gelinge, die Beurteilungssysteme gendergerecht auszugestalten. Neben Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung müsste auch die Geschlechtergerechtigkeit Beurteilungsfaktor werden, um erkennbare Benachteiligungen vor allem von Frauen zu verhindern. Oftmals gehe es ja auch gar nicht um eine objektive Leistungsbewertung, sondern um eine Präsenzbewertung: „Wenn die Beurteilung entscheidend ist für die Beförderung, dann muss natürlich auch hier Gendergerechtigkeit hergestellt werden.“ Ernsthaft widersprechen wollte keiner der Herren auf dem Podium. Rechtlich, so etwa Darsow, sei das Beurteilungswesen diskriminierungsfrei, „aber wie es in der praktischen Umsetzung aussieht, ist offen.“ Von einer „mittelbaren Diskriminierung“ sprach in diesem Zusammenhang Wonneberger, bezog diesen Begriff aber eher auf eine höhere Konflikt- und Klagebereitschaft bei männlichen Beförderungsanwärtern.

Eigenthaler: Beschäftigte lassen sich nicht vorführen

In seinem Schlusswort hob der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Thomas Eigenthaler hervor, dass zu Beginn der Föderalismusdiskussion das Projekt weniger von rationalen Überlegungen als von Machtüberlegungen und Koalitionen der Akteure bestimmt gewesen sei. Mit der Föderalismusreform II einschließlich Einführung der Schuldenbremse habe der Reformprozess viel Schwung und Energie verloren, was insbesondere der öffentliche Dienst zu spüren bekomme. „Der ewige Kampf, ob ein Tarifergebnis auf Besoldung und Versorgung übertragen wird oder nicht, hat eine ‚bleierne Müdigkeit‘ über die Beamtinnen und Beamten ausgebreitet, die das ewige Hin und Her leid sind“, sagte Eigenthaler. Wie die Beschäftigten behandelt würden, ohne deren Engagement die Bundesrepublik längst nicht mehr funktionieren würde, sei ein Affront, den der dbb nicht hinnehmen werde. Am Beispiel von Baden-Württemberg verwies Eigenthaler in diesem Zusammenhang auf die immer wieder ins Spiel gebrachten Versorgungskürzungen. Es würden mit dem Brennglas ein Punkt der Beamtenlaufbahn fokussiert und alle anderen Zusammenhänge ausgeblendet. Der dbb werde dieser verkürzten Blickweise mit allen Mitteln entgegentreten. Eigenthaler: „Wir haben es nicht nötig, uns vorführen zu lassen, damit die Dienstherren sparen können.“

 

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