Panel auf dem 12. dbb bundesfrauenkongress 2021

Konkrete Fortschritte bei Gleichstellung anvisiert

Die Frauen- und Gleichstellungspolitik droht im Zuge der Corona-Krise gewaltige Rückschritte zu machen - darüber herrscht zwischen den Debattierenden große Einigkeit. Daher seien nun konkrete Schritte zu gehen, um diesen Gefahren entgegenzuwirken. Dabei tun sich ungewohnte Allianzen auf - zwischen Parteien, Arbeitgebenden und Arbeitnehmehmenden.

Im Rahmen der öffentlichen Veranstaltung des dbb bundesfrauenkongresses am 13. April 2021 waren Interessierte zu einer öffentlichen Online-Diskussion mit Vertreterinnen aus Politik, Verwaltung und Gewerkschaft eingeladen. 

Die Hürden für Frauen in der Politik sind der dbb frauen Chefin Kreutz bestens bekannt. „Ich erlebe es selbst in der Kommunalpolitik. Man muss die gesamte politische Arbeit umstrukturieren. In der Regel ist die gesamte Woche abends durchdekliniert, aber das kann man ändern.“ Kreutz geht mit gutem Beispiel voran. „Ich habe Kandidatinnen gefragt, was muss ich als Fraktionsvorsitzende an den Rahmenbedingungen ändern, damit ihr mitmacht? Und das klappt super. Mein großes Ziel ist es – nicht nur in der Politik, sondern auch im dbb – die jungen Frauen für unsere Arbeit zu begeistern.“

Kreutz: paritätische Besetzung von Vorständen im dbb

Die Diskussionen um Frauenquoten sind oft emotional sehr geladen. Für Kreutz ist das unverständlich. „Wir kennen die Besetzung nach Proporz. Mitgliederstarke Bundesländer oder Mitgliedsgewerkschaften bekommen mehr Möglichkeiten. Daran hat sich noch nie niemand gestört. Die berühmten Listendiskussionen sind ein richtiges Hickhack. Wir müssen unbedingt strukturelle Regelungen haben.“ Dabei sieht die Chefin der dbb bundesfrauenvertretung auch in den eigenen Verband. „Wir wollen zukünftig eine paritätische Besetzung von Vorständen.“

Die dbb Frauen Chefin betonte die Notwendigkeit und Bedeutung von weiblichen Vorbildern in der Politik. „Ich wünsche mir, dass im Bundestag die Kommission zu Paritätsfragen eingerichtet wird. Erst wenn mehr weibliche Abgeordnete im Parlament sitzen, werden junge Frauen und Mädchen mehr Politik machen. Wir müssen der jungen Generation ein anderes Bild geben.“

Vieles sei seit der Corona-Pandemie möglich, was früher undenkbar schien. Möglichkeiten für mobiles Arbeiten müssten laut Kreutz auf jeden Fall weiterhin bestehen. Es brauche aber angemessene Rahmenbedingungen. „Wir können über ein Recht auf Homeoffice diskutieren, aber ich denke, dass wir dieses digitalisierende Virus nutzen müssen. In vielen Behörden sind in der Pandemie Hard- und Software angeschafft worden. Das Zeug ist da. Wir brauchen jetzt gute Dienstvereinbarungen, um damit in die Normalität zu kommen“, machte die dbb Chefin unmissverständlich klar.

Im Zuge der Veröffentlichung der Parteiprogramme zur Bundestagswahl 2021erwartet Kreutz rege Diskussionen über die Ansätze für die Gleichstellung von Frauen und Männer. Längst überfällig sei eine Reform des Ehegattensplittings. „Das Ehegattensplitting ist uralt. Damals war es richtig, aber heutzutage haben sich Familie und Erwerbstätigkeit völlig verändert. Wir müssen entscheiden, ob wir die Ehe oder die Familie fördern wollen. Als dbb wollen wir das Ehegattensplitting – so wie es jetzt ist – nicht mehr haben. Wir werden uns in die politische Diskussion einbringen“, so Kreutz.

Schauws: Solidarität gegen frauenfeindliche Angriffe von rechts entwickeln

Noch nie wurde nach Auffassung der frauen und queerpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Ulle Schauws, so viel und so stark über die Systemrelevanz und Entlohnung von Care-Arbeit gesprochen. Sie plädierte für eine Care-Revolution. „Care-Revolution heißt, das gesamte Konstrukt anzuschauen und eine Aufwertung vorzunehmen. Die Frage, wer sich um die Care-Arbeit kümmert, hängt maßgeblich an den Frauen. Das ist nicht nur im privaten Umfeld, sondern auch in den professionellen Pflegeberufen der Fall. Was wir benötigen und wofür wir während der Corona-Pandemie geklatscht haben, ist eine deutliche Verbesserung der systemrelevanten Berufe. Wir müssen über eine deutlich bessere Bezahlung und eine Reduzierung der Arbeitszeit diskutieren.“

Ihre Partei, Bündnis90 / Die Grünen, ist Vorreiter, was den Frauenanteil in den Parlamenten angeht. „Wir haben von Anfang an eine Frauenquote installiert. Mindestens 50 Prozent aller Posten, die bei uns gewählt werden oder auch Redelisten sind mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt. Das führt dazu, dass wir zum Beispiel aktuell in NRW 56 Prozent der Liste zur Bundestagswahl an Frauen vergeben haben“, sagte die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. Auch hinsichtlich der Direktmandate mache man sich Gedanken. „Wir schauen uns die aussichtsreichen Kreise an und versuchen auch da, auf Parität zu achten.“

Enttäuscht zeigte sich Schauws über die wenigen Ergebnisse der partei-übergreifende Zusammenarbeit der Mandatsträgerinnen. „Interfraktionell haben wir im Bundestag miteinander viel geredet, darüber wie wir es schaffen, die Paritätsthemen nach vorn zu bringen. Aber selbst an dem Punkt einer Kommission zu Paritätsfragen sind wir Frauen gescheitert.“

Mit Blick auf die Zukunft wünschte sich Schauws mehr Solidarität unter den Frauen und demokratischen Parteien: „Ich glaube, dass wir sehr genau gucken müssen, wo die Angriffe gegen die fortschrittlichen Erfolge von Frauen laufen. Wir müssen eine höhere Solidarität miteinander haben.“

Neisse-Hommelsheim: Nicht glücklich mit Frauenanteil in Unionsfraktion

Für Carla Neisse-Hommelsheim, stellvertretende Vorsitzende der Frauen Union der CDU Deutschlands, erfordert eine fairere Verteilung der Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen neue politische Strukturen. Zum Beispiel müsse der Ganztagsbetreuungsanspruch, wie er im Koalitionsvertrag festgelegt sei, flächendeckend durchgesetzt werden. Die erforderlichen Mittel müssten auch vom Bund gestemmt werden. Darüber hinaus habe sich die familiäre Care-Arbeit in der Pandemie als „extrem frauenlastig“ erwiesen: „Frauen tragen den Löwenanteil der familiären Organisationsarbeit“. Um gegenzusteuern müssten zum Beispiel die Möglichkeiten der Brückenteilzeit von beiden Geschlechtern konsequenter genutzt werden. Darüber hinaus müsse es auch für die Zeit nach der Pandemie ein Gesetz zum mobilen Arbeiten geben, in dessen Rahmen Arbeitnehmende und Arbeitgebende Modalitäten zum mobilen Arbeiten aushandeln können. „Als Rechtsanspruch von oben herab möchten wir das aber nicht diktieren. Ein Rahmen mit verbindlichen Möglichkeiten ist besser als ein starrer Rechtsanspruch.“

Angesprochen auf die Mandatsverteilung innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die mit derzeit nur einem Fünftel Frauenanteil weit von einer paritätischen Besetzung entfernt ist, zeigte sich Neisse-Hommelsheim „nicht glücklich darüber“. Allerdings liege die männerlastige Mandatsverteilung auch in der Struktur der vielen Direktmandate begründet: „Ein Problem, das Heiner Geißler schon vor 40 Jahren thematisiert hat.“ Die CDU habe dafür innerhalb der Satzung einen Stufenplan entwickelt, der allerdings noch vom Bundesparteitag beschlossen werden müsse und noch keinen Einfluss auf die kommende Bundestagswahl habe. „Es ist ein mühsames Geschäft.“

Für mehr Steuergerechtigkeit zwischen Männern und Frauen sprach sich Neisse-Hommelsheim für die Abschaffung der geschlechterungerechten Steuerklasse V zu Gunsten eines Familiensplitting aus, bei dem das Einkommen von Eltern und unterhaltsberechtigten Kindern zusammengefasst und gemeinsam versteuert wird. „Das wäre ein wichtiger Schritt in die Gerechtigkeit“, so Neisse-Hommelsheim.

In der künftigen Zusammenarbeit mit der dbb bundesfrauenvertretung möchte die CDU-Politikerin die Kräfte einerseits gegen Frauenfeindlichkeit und Populismus bündeln sowie andererseits die Arbeitszeitgesetzgebung flexibilisieren und gemeinsam für Paritätsgesetze im Bund und in den Ländern kämpfen.

Landsberg: Mehr Bewerberinnen durch kommunalen Girl’s Day

„Wir müssen den Anteil der Frauen in der Kommunalpolitik deutlich nach oben fahren“, machte Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, deutlich. „Der Frauenanteil bei den Oberbürgermeistern und Landräten ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken, er liegt in den Kommunen zwischen zwölf und 26 Prozent.“

Landsberg bedauerte, „dass Frauen nicht in die Kommunalpolitik gehen, obwohl gerade dort klassische Themen Familien-und Frauenthemen verhandelt werden.“ Das liege möglicherweise auch daran, dass jungen Frauen und Mädchen zu wenig ermuntert würden, sich in der „Männerdomäne Kommunalpolitik“ zu behaupten.

Nach Auffassung Landsbergs würden Männer mehr Sorgearbeit leisten, wenn im Umkehrschluss Frauen verstärkt männlich geprägte Rollen für sich beanspruchen würden. Die Neuaufteilung von Aufgaben sei nicht zuletzt auch eine Frage von Kultur und Bildung. „Ein neues Frauenbild in der Gesellschaft zu verankern, ist ein hartes Stück Arbeit“, so Landsberg.

Das Arbeiten im Homeoffice werde die Arbeitskultur auch nach dem Ende der Corona-Pandemie prägen, zeigte sich Landsberg überzeugt. „Der Kommunale Bereich muss verstärkt auf Homeoffice-Angebote setzen, wenn er sich als Arbeitgeber im Konkurrenzkampf um gute Bewerber behaupten will.“

Nach seinen Erwartungen an die Zusammenarbeit mit der dbb bundesfrauenvertretung befragt, regte Landsberg an, einen „kommunalen Girl‘s Day“ ins Leben zu rufen. In diesem Rahmen könnten Mädchen kommunale Amtsinhaberinnen einen Tag begleiten und deren Arbeit kennen lernen. „Die schönsten Paritätsgesetze nutzen nämlich nichts, wenn die Bewerberinnen fehlen“, machte Landsberg deutlich.

 

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