dbb Jahrestagung: Diskussion mit Lindner und Palmer

Krankenversicherung: Systemwechsel würde hohe Kosten bringen

Unter dem Titel „Deutschland hat gewählt – Was nun?“ diskutierten auf der dbb Jahrestagung am 8. Januar 2018 der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Lindner, und der Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer (Grüne).

Lindner verteidigte erneut den Rückzug seiner Partei aus den Sondierungen für eine „Jamaika“-Koalition mit CDU/CU und Grünen. „Wenn Wahlprogramme noch irgendeinen Sinn haben sollen, müssen sie auch nach der Wahl noch gelten“, so der FDP-Chef. Und die Programme hätten eben nicht zusammengepasst. Als Beispiel nannte er das vergebliche Bemühen der Liberalen, das Kooperationsverbot in der Verfassung zwischen Bund und Ländern im Bereich der Bildung aufzuheben. Die Länder seien mit der alleinigen Zuständigkeit langfristig finanziell überfordert: „Die Schuldenbremse wird in dieser Konstellation der Strick der Bildungspolitik.“  Boris Palmer hingegen äußerte sein Unverständnis über das Scheitern der Verhandlungen: „Ich verstehen nicht, warum die FDP die Regierungsverantwortung abgelehnt hat. Wir Grünen sind der FDP weit entgegengekommen. Die Abschaffung des Solidaritätszuschlages hatten wir bereits zugesagt.“

Video der gesamten Diskussion

Im Bereich der Gesundheitspolitik äußerten beide Politiker überraschend übereinstimmend ihre Ablehnung der Bürgerversicherung. „Nach meiner Ansicht wird das Thema von allen Seiten viel zu ideologisch diskutiert“, sagte Palmer. „Wenn wir ein komplett neues Gesundheitssystem aufbauen müssten, wäre ich für die Bürgerversicherung. Jetzt denke ich, dass die Kosten zur Umstellung der Systeme viel zu hoch sein würden. Wir sollten vielmehr andere Stellschrauben nutzen, um mehr Gerechtigkeit im Gesundheitssystem herzustellen.“ Lindner betonte, dass das Gesundheitssystem mit der Einführung einer Bürgerversicherung für alle Menschen schlechter würde. „Ohne Private Krankenversicherung würde das gesamte System kippen, weil sie eine enorme Quersubventionierung für die Gesetzliche Krankenversicherung darstellt. Ohne sie müssten tausende Arztpraxen schließen.“

Weiteres Thema der Diskussion war der Fachkräftemangel, insbesondere im öffentlichen Dienst. Auf die Frage von Moderatorin Dunja Hayali, ob die Einsparungen in der Verwaltung in den vergangenen Jahren richtig gewesen seien, plädierte Lindner für eine differenzierte Betrachtung. Die Lage im Sicherheitsbereich habe sich etwa in dieser Zeit verschlechtert. Außerdem gebe es nicht „den einen öffentlichen Dienst“. Daher halte er es heute beispielsweise für falsch, bei der Polizei oder im Bildungsbereich bei den Lehrkräften zu sparen. Im Bereich der allgemeinen Verwaltung könnten aber beispielsweise durch die Digitalisierung zukünftig Aufgaben wegfallen. Zurzeit sei es aber wichtig, dass der öffentliche Dienst im ohnehin zugespitzten Arbeitsmarkt seine Attraktivität behalte und stärke. Stadtverwaltungschef Palmer bemängelte, dass der öffentliche Dienst seit Jahren nicht genug ausbilde, um den eigenen Bedarf zu decken. Daher sei der derzeitige Mangel, den auch die Stadt Tübingen bemerke, zum Teil hausgemacht. „Das Ansehen des öffentlichen Dienstes ist aber grundsätzlich immer noch gut genug, um ausreichend Bewerber anzuziehen“, zeigte sich Palmer überzeugt.

 

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