Einkommensrunde Bund und Kommunen

Öffentlicher Dienst: Tarifverhandlungen erneut vertagt – Proteste ausgeweitet

Nachdem auch die zweite Runde der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen am 20. September 2020 ohne Ergebnis und jegliches Angebot seitens der Arbeitgeber beendet wurde, haben der dbb und seine Mitgliedsgewerkschaften ihre Protestaktionen ausgeweitet.

„So kommen wir nicht weiter“, hatte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach die ergebnislose Vertagung der Tarifverhandlungen kommentiert. „Die VKA kann nicht gleichzeitig die Ritualisierung des Verhandlungsablaufs kritisieren und dann immer nur Runde für Runde gebetsmühlenartig mehrjährige Nullrunden fordern“, so der dbb Verhandlungsführer. „Damit wir nicht in einer Schlichtung landen, müssen die Gewerkschaften in den nächsten Wochen wohl den Druck auf die Arbeitgeber nochmal erhöhen. Warnstreiks sind dabei ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Wir werden die Bevölkerung aber gründlich aufklären, wem sie bestimmte Leistungseinschränkungen, etwa in Kitas, Krankenhäusern, Ordnungsämtern oder Straßenmeistereien zu verdanken hat.“ Selbst beim Thema Krankenhäuser habe es keine relevante Bewegung gegeben, berichtete Volker Geyer, dbb Fachvorstand Tarifpolitik: „Nicht erst Corona hat gezeigt, dass der Krankenhausbereich gestärkt werden muss. Hier geht es doch überhaupt nicht um irgendeine Corona-Prämie, sondern darum, die Kolleginnen und Kollegen in diesem Kernbereich der Daseinsvorsorge in unserem Land angemessen zu bezahlen. Auf der Sachebene ist der Austausch gut, aber die politische Führung der VKA ist bisher nicht bereit, wohlmeinenden Worten Taten folgen zu lassen.“

Die Beschäftigten von Kliniken reagierten bereits am 22. September 2020 in zehn Städten in Bayern mit „aktiven Mittagspausen“ auf Verhandlungsführung der Arbeitgeber. „Berge von Überstunden, fehlendes Fachpersonal und Arbeitsverdichtung belasten die Beschäftigten im ohnehin herausfordernden Klinik-Alltag. Ein ‚Weiter so‘ kann es auch im Krankenhausbereich nicht geben“, erklärte Andreas Götz, der stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft für das Gesundheitswesen in Bayern (LBB).

Auf die besondere Situation der Frauen im öffentlichen Dienst, gerade auch im Gesundheitswesen, hatten am 18. September auch die dbb frauen aufmerksam gemacht. „Morgens im Krankenhaus Menschen das Leben retten und am Nachmittag die eigenen Kinder unterrichten: Wer diese Strapazen auf sich nimmt, hat mehr verdient als warme Worte und einen Applaus vom Balkon. 4,8 Prozent sind gerecht. Wir Frauen im öffentlichen Dienst sind systemrelevant“, lautete die Botschaft der dbb frauen Chefin Milanie Hengst auf dem Gendarmenmarkt in Berlin. Die Pandemie mache vor allem eines deutlich: „Es sind die vielen Frauen, die im Gesundheitsdienst, in Kitas, in der Kommunal- und Bundesverwaltung den Laden Staat am Laufen halten. Sie alle haben in den Monaten des Lockdowns hart am Limit gearbeitet“, so die dbb frauen Chefin. Bund und Kommunen hätten jetzt die Chance zu beweisen, dass die Corona-Hilfen nicht nur dazu da seien, Finanzlöcher zu stopfen. „Die staatliche Unterstützung muss bei denjenigen ankommen, denen Bund und Kommunen alles zu verdanken haben – bei ihren vor allem weiblichen Beschäftigten. 4,8 Prozent mindestens aber 150 Euro mehr im Monat, das muss den öffentlichen Arbeitgebern der unermüdliche Einsatz ihrer Belegschaft Wert sein.“

Ebenfalls in Berlin zogen am 24. September 2020 schließlich Beschäftigte, überwiegend aus dem Bundesdienst, mit einem Demonstrationszug vom Sitz der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) zum Bundesfinanzministerium. Was die Kolleginnen und Kollegen jetzt verlangen, so dbb Chef Silberbach mit Blick auf die Forderung nach 4,8 Prozent höhere Einkommen, mindestens jedoch 150 Euro, sei kein „Krisenbonus“. Vielmehr gehe es „um eine faire Einkommenserhöhung mit Zukunftsperspektiven für junge Beschäftigte, die im öffentlichen Dienst dringend gebraucht werden.“

Die Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bundesbeschäftige (vbob), Rita Berning, verwies auf die herausragenden Leistungen des öffentlichen Dienstes in der Krise und forderte erneut die Rückführung der Arbeitszeit der Bundesbeamtinnen und -beamten von derzeit 41 Wochenstunden. „Das ist längst überfällig. Die Beschäftigten haben auch in der Hochzeit der Krise die Funktionsfähigkeit des Staates sichergestellt. Den Kolleginnen und Kollegen der Bundesverwaltung fehlt jedes Verständnis für eine weitere Fortsetzung dieser Willkür“, so Berning. Der Bund breche das Rückführungsversprechen seit 2014 mit immer neuen Gegenargumenten. „Das ist nicht anständig - wir fordern Sie auf, Herr Minister Seehofer, nun endlich das Ruder herumzureißen und die Arbeitszeit zu reduzieren.“

Die stellvertretende Bundesvorsitzende des BDZ Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft Adelheid Tegeler stritt für bessere Beschäftigungsbedingungen für Nachwuchskräfte. „Investitionen in qualifizierten Nachwuchs für den öffentlichen Dienst sind Investitionen in die Zukunft unseres Landes“, so Tegeler. Dazu zähle unter anderem die unbefristete Übernahme nach erfolgreicher Ausbildung. Darüber hinaus erfolge die Ost-West-Angleichung der Arbeitszeit im Kommunalbereich mit einem Verhandlungshorizont ab 2023 viel zu spät.

Der Vorsitzende der DPolG Bundespolizeigewerkschaft Heiko Teggartz unterstrich, dass die Menschen im öffentlichen Dienst für Sicherheit und Verlässlichkeit einstehen. Verlässlichkeit forderten sie daher auch von den Arbeitgebern. „Die zweite Verhandlungsrunde ohne Angebot zu bestreiten ist wie auf einem Spielfeld ohne Ball auf ein Tor zu warten – hilflos. Wir werden uns auf den Straßen der Republik so lange lautstark sehen lassen, bis wir ein anständiges Ergebnis haben“, so Teggartz.

Für die kommenden Tage und Wochen bis zur dritten Verhandlungsrunde ab dem 22. Oktober 2020 haben die Beschäftigten weitere Proteste und Warnstreiks angekündigt.

Hintergrund:

Die Gewerkschaften fordern u.a. eine Einkommenserhöhung um 4,8 %, mind. 150 € (Laufzeit 12 Monate), Erhöhung der Ausbildungs- und Praktikumsentgelte um 100 €, Arbeitszeitangleichung Ost an West, Verbesserungen für den Pflegebereich sowie die Reduzierung der 41-Std.-Woche für Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte. Vom TVöD sind etwa 2,5 Millionen Beschäftigte direkt oder indirekt betroffen: Rund 2,3 Millionen Arbeitnehmende des Bundes und der Kommunen sowie weiterer Bereiche, für die der TVöD direkte Auswirkungen hat, sowie rund 225.000 Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte, auf die der Tarifabschluss übertragen werden soll.

 

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