Parlamentsdialog zur Beurteilungspraxis im öffentlichen Dienst

Teilzeitkräfte: Verdonnert zu „lebenslänglich zweitrangig“

Wie können das Beurteilungssystem und die Beförderungspraxis im öffentlichen Dienst diskriminierungsfrei gestaltet werden, damit Frauen und Männer gerechte Aufstiegschancen erhalten? Darüber hat die dbb bundesfrauenvertretung am 22. März 2017 bei einem parlamentarischen Frühstück mit Bundestagabgeordneten aller Fraktionen gesprochen.

„Seit mehr als drei Jahrzehnten werden wir durch Vorgesetzte in unserer beruflichen Entwicklung entscheidend benachteiligt. All unsere Beschwerden verhallen ohne Auswirkung. Wir benötigen dringend Ihre Hilfe.“ Diese Zeilen stammen aus einer Zuschrift, wie sie die dbb bundesfrauenvertretung immer häufiger erhält.  Die Urheberinnen sind Frauen, die seit Jahren engagiert im öffentlichen Dienst tätig sind – viele in Teilzeit, fast alle mit familiären Verpflichtungen. „Bei durchschnittlicher dienstlicher Beurteilung und entsprechender Erfahrungsstufe erreichen viele nicht mehr als die Besoldungsgruppe A 8 im mittleren Dienst beziehungsweise A 11 im gehobenen Dienst. Mehr ist nicht drin. Auch die Höhe der Altersbezüge ist damit besiegelt. Diese Frauen sind verdonnert zu lebenslänglich zweitrangig“, erklärte die Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung Helene Wildfeuer in ihrem Eingangsstatement gegenüber den Parlamentsvertreterinnen und -vertretern.

Aus Mangel an Transparenz

Auch die Bundestagsabgeordnete Kirsten Lühmann bestätigte als Gastgeberin des parlamentarischen Dialogs die Erfahrungen der betroffenen Frauen. Sie hatte zu Beginn ihrer Beamtenlaufbahn bei der Polizei ähnliches erfahren müssen. Ihr damaliger Dienstherr hatte sie um Verständnis gebeten, dass ein Kollege bevorzugt befördert würde. Er habe eine Familie zu ernähren. Lühmann war zu diesem Zeitpunkt schwanger mit ihrer ersten Tochter. „Der öffentliche Dienst ist bei der Auslegung der Gleichstellungsvorgaben genauso kreativ wie die Arbeitgeber in der freien Wirtschaft.“ Geschuldet sei dies unter anderem der mangelnden Transparenz bei den Beurteilungsverfahren. „Wir brauchen hier eine gesetzliche Regelung, die Beurteilungsstatistiken für die Bundesverwaltung vorschreibt“, so Lühmann.

Bisher würde das Thema der ungleichen Aufstiegschancen und daraus resultierende Verdienstunterschiede ausschließlich im Kontext der freien Wirtschaft diskutiert, kritisierte Wildfeuer. „Wir wollen den Fokus auf den öffentlichen Bereich richten. Auch hier gibt es ein Gender Pay Gap von rund acht Prozent. Auch hier wirken sich familiäre Auszeiten und Teilzeit negativ auf die berufliche Entwicklung aus.“ Insbesondere die Kriterien, die der dienstlichen Beurteilung zugrunde lägen müssten überprüft und an die heutige Zeit angepasst werden – „inhaltlich, sprachlich und ohne Stereotype zu bedienen“, betonte Wildfeuer.

 „Genderbequem“ formulieren

 Auf den öffentlichen Dienst bezogen könne eine gendergerechte Formulierung der Beurteilungskriterien viel bewirken, um Frauen verstärkt in Führungspositionen zu bringen, verdeutlichte auch Entgeltexpertin Henrike von Platen. Keiner spreche über ‚die Männer im öffentlichen Dienst‘, die keine Führungspositionen anstrebten. Aber viele unterstellten ‚den Frauen im öffentlichen Sektor‘, dass sie Führungsverantwortung scheuten. „Indem wir darüber sprechen, kreieren wir Fakten. Deshalb müssen wir unsere Ziele positiv und genderbequem formulieren,“ machte von Platen deutlich.

Angesichts der Gemengelage im Landesdienst in NRW – dort wurde das Dienstrecht geändert, um Frau bevorzugt befördern zu können – müsse sich die Politik auch mit dem Beurteilungssystem im Bundesdienst auseinandersetzen.  „Wenn der Bund voran geht, können die Länder folgen“, machte Wildfeuer unmissverständlich klar. Parallel dazu müsse man weg kommen von der Präsenzkultur, die Anwesenheit im Büro mit Leistung gleichsetze. Vielmehr müssten weitere Anreize für eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit geschaffen werden. In der Folge würden sich die negativen Auswirkungen von Teilzeit auf die Karriereentwicklung für Männer und Frauen verringern. Wildfeuer lud die anwesenden Abgeordneten dazu ein, den Dialog mit den weiblichen Beschäftigten im öffentlichen Dienst weiterzuführen und gemeinsame Lösungsansätze für ein diskriminierungsfreies Fortkommen zu erarbeiten. Eine gute Gelegenheit dafür böte sich im Rahmen der Frauenpolitischen Fachtagung am 11. Mai 2017 im dbb forum berlin, die das Thema vertieft aufgreife.

 

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