Einkommensrunde 2019

Warnstreiks gehen weiter

Die Protestschwerpunkte am 20. Februar 2019 waren der Westen und Norden des Landes.

In NRW sind Pflegerinnen und Pfleger der Unikliniken für bessere Arbeitsbedingungen in den Warnstreik getreten. In Düsseldorf demonstrierten 800 Beschäftigte vor der Arbeitgeber-Zentrale. In Oldenburg trafen sich Beamtinnen und Beamte zu einer „aktiven Mittagspause“ auf dem Lamberti Markt und in Kiel nahmen rund 1000 Landesbeschäftigte an einer Kundgebung vor dem Finanzministerium teil.

An den sechs Unikliniken in Nordrhein-Westfalen gilt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder, über den Gewerkschaften und Arbeitgeber derzeit verhandeln. „Die Kolleginnen und Kollegen fordern sechs Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 200 Euro mehr. Die Tabellen-Entgelte für das Pflegepersonal sollen außerdem zusätzlich um 300 Euro angehoben werden, denn besonders in diesem Bereich ist die Arbeit fordernd und der Fachkräftemangel groß“, erklärte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach bei der Kundgebung vor dem Arbeitgeberverband des Landes NRW in Düsseldorf.

Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) hatte in den letzten beiden Verhandlungsrunden kein Angebot vorgelegt und die Forderungen der Beschäftigten als „überzogen“ zurückgewiesen. Silberbach, der für den dbb die Verhandlungen führt, sagte: „Es ist absolut fahrlässig, wie wenig Bereitschaft die Länder zeigen, ihrer Verantwortung für einen starken öffentlichen Dienst gerecht zu werden. Nicht nur im Bereich der Gesundheit, denn Bildung, Sicherheit und Infrastruktur sind ja ebenso betroffen. Das erzeugt Frust bei den Betroffenen und bei Bürgerinnen und Bürgern.“ Diese Sparpolitik sei insbesondere im Bereich der Pflege absolut unverständlich, da jede zusätzliche Fachkraft ebenso wie die geforderten Tarifsteigerungen komplett von den Krankenkassen refinanziert und damit die Länder-Haushalte nicht belasten würden. Der Vorsitzende der dbb Mitgliedsgewerkschaft vdla, Himmet Ertürk, wies darauf hin, dass es nicht nur um lineare Einkommenssteigerungen gehe. „Wir wollen beispielsweise auch deutlich mehr Zusatzurlaub für Schichtarbeit. Denn Pflege ist ein Knochenjob. Mit mehr Erholung und Regeneration verbessern wir nicht nur kurzfristig die Qualität der Betreuung, sondern halten die Leute auch deutlich länger im Arbeitsleben.“

In Kiel wurde von den Protestierenden ein symbolisches „Disziplinarverfahren“ gegen Landtag und Landesregierung eröffnet. „Das Zeitspiel der Arbeitgeber ist sträflich“, kritisierte dbb Vize und Tarifvorstand Volker Geyer „Wer in Zeiten eines eklatanten Personalmangels in sämtlichen Behörden und Verwaltungen von A bis Z so wenig Gestaltungswillen und Bereitschaft zum Kompromiss zeigt, hat den Schuss wirklich nicht gehört“, ärgerte sich der dbb Vize. Es sei „blanker Unsinn zu behaupten, unsere Forderungen bereiteten den Länderhaushalten riesige Probleme, es würde Geld für wichtige Investitionen fehlen. Wenn nicht in Lehrkräfte, Polizisten, Erzieherinnen, IT-Fachkräfte oder Ingenieure – in wen oder was will Schleswig-Holstein denn bitte sonst investieren? Wir sind die Lösung und nicht das Problem!“, betonte Geyer und unterstrich ausdrücklich, dass Abstriche an einer Übernahme des Tarifergebnisses auf den Beamtenbereich nicht akzeptabel seien. Kai Tellkamp, Vorsitzender des dbb schleswig-holstein, appellierte an die Landesregierung: „Der dringend benötigte Nachwuchs läuft uns doch weg, wenn die jungen Leute sehen, wie die so genannte Wertschätzung der Arbeitgeber und Dienstherrn aussieht: Um jeden Cent, jede Beförderung wird gefeilscht, eine entwürdigende Befristungspolitik feiert fröhliche Urstände. Wem eine Schwarze Null wichtiger ist als funktionierende Schulen, funktionierende Verwaltungen, funktionierende Infrastruktur und nachhaltige Sicherheit, spielt mit dem Feuer. Deswegen sollten Landtag und Landesregierung dafür sorgen, dass sich die TdL in Sachen Tarifabschluss jetzt endlich bewegt“, so Tellkamp.

Solidarisch mit ihren angestellten Kolleginnen und Kollegen nahmen in Oldenburg viele Beamtinnen und Beamten aus dem niedersächsischen Landesdienst an einer Demonstration teil. Bei der Kundgebung berichtete der stellvertretende Vorsitzende der dbb Bundestarifkommission Karl-Heinz Leverkus, dass die Finanzminister der Länder auch jetzt noch intern über einen „Billig“-Abschluss sprechen: „Solche Aussagen geben genau wieder, wie unsere Arbeitgeber über uns und unsere Arbeit denken“, so Leverkus. „Das werden wir uns nicht gefallen lassen. Deshalb müssen wir uns darauf verlassen können, dass Ihr bereit seid: Weiter zu demonstrieren. Weiter zu streiken. Und uns damit in den Verhandlungen weiter den Rücken zu stärken.“ Der Vorsitzende des Niedersächsischen Beamtenbunds Martin Kalt knüpfte mit Blick auf die eigene Landesregierung direkt an diese Kritik an: „Die durch den Finanzminister bereits zugesagte Übernahme des Tarifergebnisses für die Beamtinnen und Beamten wurde letzte Woche von Ministerpräsidenten Stephan Weil wieder in Frage gestellt. Ich verlange hier eine klare Positionierung der Landesregierung!“

Hintergrund

Von den Verhandlungen über den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) sind insgesamt rund 3,3 Millionen Beschäftigte betroffen: Eine Million Tarifbeschäftigte der Länder (ohne Hessen, das nicht Mitglied der TdL ist und gesondert Verhandlungen führt), für die der TV-L direkte Auswirkungen hat, sowie rund 2,3 Millionen Beamte und Versorgungsempfänger in Ländern und Kommunen (ohne Hessen), auf die der Tarifabschluss übertragen werden soll, um den Gleichklang der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung im öffentlichen Dienst zu gewährleisten. Am 28. Februar 2019 wollen sich Gewerkschaften und Arbeitgeber nun zum vorerst letzten Verhandlungstermin erneut in Potsdam treffen.

Der dbb fordert

Erhöhung der Tabellenentgelte um 6 Prozent, mindestens 200 Euro; Erhöhung der Ausbildungs- und Praktikantenentgelte um 100 Euro; Erhöhung der Pflegetabelle zusätzlich um 300 Euro; Wiederinkraftsetzung der Vorschrift zur Übernahme von Auszubildenden; Schaffung von Regelungen über die Ausbildungsbedingungen von Studierenden in ausbildungs- / praxisintegrierten dualen Studiengängen.

 

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