Einkommensrunde 2016 für Bund und Kommunen

Zweite Warnstreikwelle im öffentlichen Dienst

Vor der dritten und vermutlich entscheidenden Runde der Verhandlungen über den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen kam es bundesweit zu Warnstreiks und Kundgebungen mit mehreren tausend Teilnehmern. Die Situation ist angespannt: Die Beschäftigten fordern weiter eine Einkommenserhöhung um 6 Prozent. Das Gegenangebot der Arbeitgeber ist davon weit entfernt. Bei einer Kundgebung mit über 7.000 Demonstranten sagt der dbb Verhandlungsführer Willi Russ am 27. April 2016 in Bochum: „Was jetzt auf dem Tisch liegt, hat mit Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten überhaupt nichts zu tun.“

In der Öffentlichkeit habe der „schändliche 3-Prozent-Taschenspielertrick der Arbeitgeber leider gut funktioniert“, kommentierte Russ die Aussagendes Bundesinnenministers Thomas de Maizière und des Präsidenten der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände Thomas Böhle. „Manche denken wirklich, wir hätten drei Prozent angeboten bekommen. Tatsache ist jedoch, dass aufgrund der Zahlungskonditionen am Ende deutlich weniger unterm Strich stehen würde. Das Ganze dann als Drei-Prozent-Angebot zu verkaufen, ist, vornehm ausgedrückt, ‚geschummelt‘! Wir sind stinksauer und erwarten einen vernünftigen Kompromiss.“

Wohin die Blockade der Arbeitgeber führen kann, zeigten am gleichen Tag die Warnstreiks des Bodenverkehsdienstes an Flughäfen. So mussten etwa in Frankfurt etwa 400 der mehr als 1.300 geplanten nationalen und internationalen Flüge gestrichen werden, in München 740 von 1.100.

Warnstreiks von Nord bis Süd

Am Dienstag (26. April 2016) hatten die Beschäftigten von Bund und Kommunen bereits Norddeutschland bestreikt. Betroffen waren Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. In Kiel und Salzgitter versammelten sich jeweils weit über Tausend Teilnehmer zu zentralen Kundgebungen, um ebenfalls lautstarke ihre Kritik an den Arbeitgebern zum Ausdruck zu bringen. „Die Arbeitgeber mauern immer noch“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der dbb Bundestarifkommission Andreas Hemsing in Kiel. „Aber nicht nur die Einkommenssteigerung ist strittig. Die Diskussion um die Zusatzversorgung muss beendet werden. Ebenso sollten sachgrundlose Befristungen endlich der Vergangenheit angehören.“ Die Vorsitzende des dbb schleswig-holstein, Anke Schwitzer, mahnte: „Wir brauchen einen ordentlichen Tarifabschluss, und wir brauchen dessen Übertragung auf die Beamten. Deutschland braucht einen starken öffentlichen Dienst. Und für einen starken öffentlichen Dienst brauchen wir faire Einkommen.“ Dietmar Knecht, Vorsitzender des dbb mecklenburg-vorpommern, betonte: „Der Norden steht zusammen. Auch, um die hier oben noch greifbare Tarifmauer zwischen Ost und West endlich einzureißen.“

In Salzgitter stellte der stellvertretende Vorsitzende der dbb Bundestarifkommission Jens Weichelt die Leistungen des öffentlichen Dienstes heraus: „Die Beschäftigten sind jeden Tag - manchmal rund um die Uhr - im Einsatz, um unser Gemeinwesen am Laufen zu halten. Dafür haben sie Anerkennung verdient, die in einer gerechten Bezahlung zum Ausdruck kommen muss.“

Bayern hatte die Warnstreikwelle bereits am Montag (25. April 2016) erreicht. Allein in Nürnberg demonstrierten 1.000 Beschäftigte für ihre Forderungen. „Das ist ein Billigangebot, das wir nicht haben wollen“, empörte sich der stellvertretende Vorsitzende der dbb Bundestarifkommission Siegfried Damm mit Blick auf die Arbeitgeber-Position.

Jugend sorgt sich um Zukunft des öffentlichen Dienstes

Vertreter der Jugendorganisationen im dbb brachten auf den zahlreichen Kundgebungen ihre Sorge um die Zukunft des öffentlichen Dienstes zum Ausdruck. Die Vorsitzende der dbb jugend schleswig-holstein, Karoline Herrmann, sagte bei der Demo in Kiel: „Guten Nachwuchs bekommt der Staat nur, wenn er auch entsprechende Perspektiven anbieten kann. Deshalb muss nach einer erfolgreichen Ausbildung die unbefristete Übernahme stehen.“ Christian Dröttboom, Landesjugendleiter der komba jugend nrw brachte in Bochum die Gedanken vieler junger Beschäftigter auf den Punkt: „Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen. Wer seine Belegschaft über Jahre kaputtspart und gleichzeitig mit immer mehr Aufgaben überhäuft, braucht sich nicht wundern, wenn sich motivierte Berufseinsteiger lieber einen anderen Arbeitgeber als den öffentlichen Dienst suchen.“ In Nürnberg hatte der stellvertretende Vorsitzende der dbb jugend bayern, Andreas Götz, bereits festgestellt: „Für ihre Arbeit verdienen auch Berufseinsteiger Beschäftigungsverhältnisse ohne Befristung und gerechte Bezahlung!“

Hintergrund

Vom Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen (TVöD) sind insgesamt knapp zwei Millionen Beschäftigte betroffen: 147.335 Arbeitnehmer des Bundes, 1.241.845 Arbeitnehmer der Kommunen, für die der TVöD direkte Auswirkungen hat, sowie 179.595 Beamte und 179.000 Versorgungsempfänger des Bundes, auf die der Tarifabschluss übertragen werden soll, um den Gleichklang der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung im öffentlichen Dienst zu gewährleisten. Die wirkungsgleiche Übertragung betrifft nur die Bundesbeamten, da die Kommunalbeamten nach den jeweiligen Landesgesetzen besoldet/versorgt werden.

 

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