Einkommensrunde für Beschäftigte von Bund und Kommunen

10,5 Prozent für den öffentlichen Dienst – „Das werden hammerharte Verhandlungen“

dbb Chef Ulrich Silberbach erwartet schwere Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen. Die Forderung nach 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro mehr Einkommen sei angesichts der volatilen Lage „mehr als gerechtfertigt“.

„Das werden hammerharte Verhandlungen“, sagte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach am 11. Oktober 2022 bei der Vorstellung der gewerkschaftlichen Forderung für die am 24. Januar 2023 beginnende Einkommensrunde. „Die Stimmung in den Betrieben und Behörden des öffentlichen Dienstes war noch nie so schlecht. Veraltete Ausstattung, steigende Arbeitsbelastung, hohe Krankenstände, sinkende Motivation: Das sind alles Alarmzeichen. Umso dringender sind jetzt positive Impulse beim Thema Bezahlung.“ Das Verhandlungsergebnis müsse deshalb am Ende zweierlei sicherstellen: „Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nehmen an der allgemeinen Einkommensentwicklung teil. Das ist ihr gutes Recht. Außerdem wird die Wettbewerbsfähigkeit des Staates als Arbeitgeber gesichert. Ein Blick auf die demografische Entwicklung zeigt, was für eine existentielle Herausforderung die Nachwuchsgewinnung für Bund und Kommunen geworden ist. Uns fehlen ja jetzt schon 360.000 Leute und diese Zahl wird schnell anwachsen.“

Warnungen der Arbeitgeber im Vorfeld, dass die Finanzlage des Staates keine Einkommensverbesserung für die Beschäftigten zuließe, wies der dbb Fachvorstand Tarifpolitik, Volker Geyer, zurück: „Dieses Mantra wird durch ständige Wiederholung nicht richtiger. Das Gegenteil stimmt: Wenn wir jetzt nicht in den öffentlichen Dienst und seine Beschäftigten investieren, bedeutet das nicht nur massive Reallohnverluste für die Kolleginnen und Kollegen, sondern auch eine nachhaltige Beschädigung der für die Überwindung der aktuellen Doppelkrise so wichtigen kritischen Infrastruktur Staat.“

Die Kernforderungen:

Erhöhung der Tabellenentgelte um 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro

Erhöhung der Ausbildungs- und Praktikantenentgelte um 200 Euro

Laufzeit 12 Monate

Zuvor hatte der dbb Chef Silberbach bereits auf die Bedeutung der Einkommensrunde für die Personalgewinnung hingewiesen. Mit Blick auf die Bezahlung im öffentlichen Dienst sagte der dbb Bundesvorsitzende im Interview mit der „Rheinpfalz“ (Ausgabe vom 11. Oktober 2022): „Nehmen Sie das Bürgergeld. Eine Familie mit zwei Kindern erhält dadurch in Zukunft 1619 Euro. Dazu werden Miete und Heizkosten bezahlt – zwei Faktoren, die sich derzeit finanziell horrend bemerkbar machen. Ein Beschäftigter in der Einkommensgruppe A7, also mittlerer Dienst, kommt mit zwei Kindern brutto auf rund 3000 Euro, wovon noch die Krankenversicherung und die Steuer abgehen. Letztlich beträgt die Differenz zum Bezieher des Bürgergelds knapp 400 Euro – wovon er aber noch Wohnung und Heizung selbst bezahlen muss. Da stimmt etwas nicht, wenn wir Beschäftigte des öffentlichen Dienstes gleichstellen mit Beziehern von Bürgergeld. Mir geht es hier nicht darum, Sozialneid zu schüren. Das Bürgergeld ist der richtige Ansatz, aber die Beschäftigten im öffentlichen Dienst müssen auch richtig bezahlt werden.“

Der Personalmangel sei jetzt schon enorm, betonte Silberbach: „Wir haben zu wenig Personal, die Beschäftigten kommen mit ihrer Arbeit nicht mehr nach. Wenn die öffentlichen Arbeitgeber jetzt versuchen, weitere Sparrunden zu fahren, verlieren wir jede Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb muss bei den Einkommen nachgelegt werden.“ Erschwerend komme hinzu, dass es weiterhin in der Fläche nicht genug Stellenzuwächse gegeben habe: „Der Bund hat beim Personal aufgestockt, etwa bei der Bundespolizei. In den Ländern sieht das anders aus. Wir haben gerade eine Grundsteuerreform, die in den Finanzämtern umgesetzt werden muss. Wenn man sich dann anschaut, wie die Personalsituation und die technische Ausstattung in diesen Ämtern ist, wird einem angst und bange. Die Kolleginnen und Kollegen bekommen permanent neue Aufgaben und sind gar nicht mehr in der Lage, diese zu bewältigen, weil sie noch einen Berg an Altlasten vor sich herschieben.“

Außerdem hat der dbb Bundesvorsitzende bereits klargestellt, dass er in der Einkommensrunde auf dauerhafte Gehaltssteigerungen statt Einmalzahlungen setzt. „Mit den Arbeitgebern haben wir auch die Frage zu klären, wie wir mit den im Raum stehenden Sonderzahlungen von bis zu 3000 Euro umgehen“, sagte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach am 9. Oktober 2022 gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die Bundesregierung hatte den Sozialpartnern in Aussicht gestellt, dass der Staat auf Steuern und Abgaben verzichtet, wenn sie sich auf solche Sonderzahlungen einigen. „Einmalzahlungen sehen wir kritisch, weil wir einen langfristigen Inflationsausgleich brauchen, der in den Einkommenstabellen greift.“ Als ergänzendes Instrument wolle er die Möglichkeit von solchen Sonderzahlungen aber auch nicht gänzlich ausschließen.

Die Stimmung bei vielen Mitgliedern der dbb Fachgewerkschaften sei aktuell gerade angesichts der steigenden Energiepreise aufgeheizt und sorgenvoll, machte Silberbach deutlich. „Wenn wir uns im Frühjahr nicht auf eine vernünftige Lösung verständigen, wäre das echter sozialer Sprengstoff.“ Hinsichtlich der Rettungsaktionen des Staats für Unternehmen in der gegenwärtigen Gas- und zuvor in der Corona-Krise unterstrich der dbb Bundesvorsitzende, es erzeuge „eine gefährliche Schieflage“, wenn der Staat marode Unternehmen rette, aber seine eigenen Beschäftigten finanziell nicht ausreichend ausstatte. „Schon heute haben zwei Drittel der Menschen kein Vertrauen mehr in den Staat“, sagte Silberbach unter Verweis auf die dbb Bürgerbefragung von Anfang September.

Die dbb jugend begrüßte die beschlossenen gewerkschaftlichen Forderungen und mahnt die Arbeitgeber ebenfalls, Nachwuchsgewinnung in dieser Einkommensrunde ernst zu nehmen. „Wir befinden uns inmitten mehrerer Krisen. Die Inflation und drohende Rezession trifft zunehmend junge Leute, die sich um die Sicherheit ihrer Zukunft sorgen. Auch sie müssen die steigenden Preise zahlen, obwohl ihnen meist wesentlich weniger Geld für ihre Lebenshaltungskosten zur Verfügung steht. Eine Erhöhung der Ausbildungs- und Praktikantenentgelte um 200 Euro sowie die unbefristete garantierte Übernahme sind daher mehr als angemessen“, sagte dbb jugend Chef Matthäus Fandrejewski am 11. Oktober 2022. In den nächsten Jahren werden zudem immer mehr Beschäftigte den öffentlichen Dienst altersbedingt verlassen. Um Nachwuchskräfte rechtzeitig zu gewinnen, sei sofortiges Handeln erforderlich, appellierte Fandrejewski: „Die Arbeitgeber müssen endlich einsehen, dass uns die Zeit davonläuft. Wir brauchen mehr junge Leute und die bekommen wir nur, wenn wir den öffentlichen Dienst attraktiver gestalten. Unsere Forderungen sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung.“

Hintergrund:
Vom Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) sind insgesamt über 2,5 Millionen Beschäftigte direkt oder indirekt betroffen: Fast 1,6 Millionen Arbeitnehmende des Bundes und der Kommunen und weiterer Bereiche, für die der TVöD direkte Auswirkungen hat, sowie Auszubildende, Praktikantinnen und Praktikanten sowie Studierende in ausbildungsintegrierten dualen Studiengängen und auch knapp 190.000 Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte, Anwärterinnen und Anwärter sowie über 500.000 Versorgungsempfängerinnen und -empfänger beim Bund, auf die der Tarifabschluss übertragen werden soll. Mittelbar hat die Einkommensrunde auch Auswirkungen für weitere Bereiche des öffentlichen Dienstes (Bspw. Bundesagentur für Arbeit, Deutsche Rentenversicherung).

 

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