Stellungnahme zum Aktionsplan der Kommission
Arbeits- und Fachkräftemangel in der EU
Die Kommission will den Arbeits- und Fachkräftemangel auf breiter Front angehen. Ihre Initiativen haben auch Auswirkungen auf den öffentlichen Dienst.
Bewertung
Die Europäische Kommission zeigt in ihrer Mitteilung wichtige Dimensionen des Arbeits- und Fachkräftemangels auf. Der Gegenstand ist gewerkschaftspolitisch für den dbb von großem Interesse.
Der öffentliche Dienst konkurriert nicht nur im Bildungswesen und im öffentlichen Gesundheitswesen mit der Wirtschaft um Arbeits- und Fachkräfte. Die Verwaltung läuft aufgrund zu vieler unbesetzter Stellen vielerorts Gefahr, ihren gesetzlichen Auftrag nicht mehr umfassend erfüllen zu können. Das gilt gleichermaßen für die Leistungs- wie für die Eingriffsverwaltung.
Öffentliche Güter wie zum Beispiel Bildung, innere und äußere Sicherheit, eine funktionierende Justiz haben nur Bestand, wenn zu ihrer Bereitstellung ausreichend qualifiziertes und adäquat ausgestattetes Personal zur Verfügung steht. Die Attraktivität des Investitionsstandorts hängt auch davon ab, wie zeitaufwendig Verwaltungsverfahren sind.
Die Kommission unterbreitet in ihrer Mitteilung Vorschläge für weitere Maßnahmen und Schritte zum Umgang mit dieser Herausforderung. Dabei listet sie diesem Ziel dienende Politiken und Initiativen der jüngeren Vergangenheit auf und gibt einen Ausblick auf die Aufgaben der neuen Kommission, die nach den Europawahlen vom 6.-9. Juni 2024 gebildet werden wird.
Aus dbb Sicht gehen viele Vorschläge und Maßnahmen in die richtige Richtung. Teilweise fehlt es aber an einem ganzheitlichen Ansatz und nicht immer beachtet die Kommission ihre Kompetenzgrenzen. Der dbb sieht vor allem die Mitgliedstaaten in der Verantwortung, ihre Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Sozialpolitiken entsprechend der jeweiligen geografischen Voraussetzungen, Traditionen und Gepflogenheiten auszurichten. Das entspricht nicht nur der europäischen Kompetenzordnung, sondern auch dem Gebot der demokratischen Legitimation.
Dass die EU-Staaten voneinander lernen und eine schrittweise Angleichung der Lebensverhältnisse auf hohem Niveau erfolgt, ist eine positive Folge der europäischen Integration. Gleichzeitig legt der dbb größten Wert darauf, dass die Zuständigkeiten der die Europäische Union konstituierenden Mitgliedstaaten gewahrt werden. Dazu gehört, dass sie eigene Kompetenzen mit Blick auf ihre Sozialordnung behalten und ganz besonders ihre Alleinzuständigkeit für die Organisation und die Finanzierung ihrer öffentlichen Dienste.
Die Mitteilung der Kommission geht zu wenig auf die Frage ein, wie die Voraussetzungen für Familiengründungen verbessert werden können, um den Trend der für eine stabile Bevölkerungsentwicklung zu niedrigen Geburtenraten eines Tages wieder umzukehren. Dazu gehören nicht nur materielle Faktoren, sondern auch ein begünstigendes gesellschaftspolitisches Umfeld.
Grundsätzlich gilt aus Sicht des dbb: Europäische Harmonisierungsschritte im Arbeits- und Sozialrecht, für die es klare Ermächtigungsgrundlagen in den Verträgen gibt und die in Einklang mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit mit dem eigenständigen öffentlichen Dienstrecht vereinbar sind, sollten in dieses übernommen werden. Erforderlichenfalls müssen Ausnahmeregelungen die Eigenständigkeit des öffentlichen Dienstrechts sicherstellen. Solche Ausnahmeregelungen in diesem besonderen Bereich der staatlichen Souveränität gefährden nicht die eigentlichen Zielsetzungen von europäischen Rechtsetzungsinitiativen. Sie vermeiden unnötige Normenkollisionen.
Aus Sicht des dbb gibt es beeinflussbare Faktoren, die den negativen Folgen des demografischen Wandels, zu denen der Arbeits- und Fachkräftemangel mit all seinen Konsequenzen für Wirtschaft und Gesellschaft gehört, entgegenwirken oder sie zumindest abmildern können:
1. Die mangelhafte Verfügbarkeit von Arbeitskräften muss nicht unbedingt zu Wohlstandseinbußen führen. Sie kann bei einem günstigen ordnungspolitischen Umfeld zu Sprunginnovationen und Produktivitätsgewinnen führen. Im Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter kann eine Chance liegen, Arbeit im Sinne gewerkschaftspolitischer Forderungen aufzuwerten und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft durch Digitalisierung und intelligente Automation sicherzustellen. In dieser Perspektive ist auch der Ruf nach längeren Arbeitszeiten nicht zielführend.
2. Höhere Produktivität hat Innovationskraft zur Voraussetzung, für die es eines ermöglichenden makroökonomischen Rahmens bedarf. Zu diesem gehören neben der Versorgungssicherheit mit bezahlbarer Energie und dem Zugang zu Rohstoffen, besonders zu seltenen Erden, zuvorderst eine innovationsfreundliche Steuerpolitik, die Investitionen begünstigt, aber von Subventionen bestehender Produktionsmethoden absieht; ein Ordnungsrahmen, der unverfälschten Wettbewerb ermöglicht und eine Beschränkung von Bürokratielasten.
3. Die Vermeidung unnötiger Bürokratie muss und darf aus gewerkschaftspolitischer Sicht nicht bedeuten, dass es zu Verschlechterungen bei den Arbeitsbedingungen oder zu Abstrichen bei Umwelt- und Nachhaltigkeitsanforderungen kommt, die angesichts des Klimawandels und des Erhalts der Biodiversität geboten sind. Eine konsequente end-to-end Digitalisierung aller Verwaltungsprozesse und die Vermeidung redundanter Prozesse bei Berichtspflichten sind wesentliche Faktoren für die Entlastung von Unternehmen, aber auch der Verwaltung selbst.
4. Von zentraler Bedeutung für die Innovationskraft einer Gesellschaft ist die Qualität ihres Bildungswesens, sind ihre Anstrengungen im Bereich von Forschung und Entwicklung. Deshalb sind angemessene Investitionen in den gesamten Bildungszyklus von der frühkindlichen Erziehung über die allgemein- und berufsbildenden Schulen bis zu den Universitäten und zur Erwachsenenbildung inkl. der Fort- und Weiterbildung ein grundlegender Faktor für den Umgang mit dem demografisch bedingten Arbeits- und Fachkräftemangel. Bildung liegt in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, in Deutschland der Bundesländer. Der europäische Rahmen ist neben Fragen der wechselseitigen Anerkennung von Abschlüssen, Erasmus+ und weiteren unterstützenden Maßnahmen vor allem mit Blick auf die wirtschaftspolitische Steuerung und die Bewertung staatlicher Ausgaben für Bildung relevant.
5. Gezielte Arbeitsmarktmigration ist ein weiterer, die Effekte der Alterung zumindest retardierender Faktor. Wie gut diese gelingt, hängt wesentlich von der Attraktivität des Ziellandes (Deutschland) oder der Zielregion (Europa) ab. Wo Migration aus völkerrechtlichen Verpflichtungen bzw. humanitären oder politischen Gründen erfolgt, müssen besonders Arbeitsmarktintegration und Weiter- und Fortbildung gefördert werden. Dazu bedarf es u.a. einer hochwertigen staatlichen Arbeitsvermittlung.
6. Arbeitsmarktreserven lassen sich heben, wenn die Frauenerwerbstätigkeit erhöht wird und Menschen, die es gesundheitlich können und wollen, freiwillig über die Rentenaltersgrenzen hinaus berufstätig bleiben. Die Voraussetzungen dafür sind eng verbunden mit der Verfügbarkeit von hochwertiger Kinderbetreuung, einer sehr guten, auch präventiv funktionierenden medizinischen Versorgung und der Sicherstellung von Pflegediensten.
Im Einzelnen
Zur Rolle des sozialen Dialogs:
Der dbb begrüßt, dass die Kommission zur Bekämpfung des Arbeits- und Fachkräftemangels weitere Mittel für die Arbeit der Sozialpartner bereitzustellen beabsichtigt. Dabei ist darauf zu achten, dass diese Mittel in innovative sozialpartnerschaftliche Projekte fließen und im Sinne des Gewerkschaftspluralismus auch repräsentativen Organisationen wie den unabhängigen europäischen Gewerkschaften (CESI) zugutekommen.
Der dbb unterstützt die Analyse der zentralen Politikbereiche mit Handlungsbedarf, d.h.:
1. Unterstützung der Aktivierung unterrepräsentierter Personen auf dem Arbeitsmarkt;
2. Unterstützung für Kompetenzen, Aus- und Weiterbildung;
3. Verbesserung der Arbeitsbedingungen;
4. Verbesserung der Mobilität von Arbeitskräften und Lernenden innerhalb der EU auf einer gerechten Grundlage;
5. Anwerbung von Fachkräften aus Drittländern
Der dbb vermisst eine ganzheitliche Betrachtung, die stärker die makroökonomischen Rahmenbedingungen in den Blick nimmt, wozu auch der europäische Gesetzgeber im Sinne der besseren bzw. zukunftsfesten Rechtsetzung mit möglichst geringen Bürokratielasten beitragen kann und muss.
Von zentraler Bedeutung für die Bekämpfung des Arbeits- und Fachkräftemangels sind umfangreiche Investitionen in die Bildung, die Digitalisierung und eine höhere Produktivität, für die es Investitions-, Planungs- und Versorgungssicherheit (Rohstoffe, Energie, seltene Erden) braucht.
Zur Verbesserung von Erwerbsquoten:
Der dbb teilt die Einschätzung, dass Besteuerung, Sozialabgaben und Sozialleistungen für Arbeitsanreize wesentlich sind. Die Systeme sind aber national sehr unterschiedlich und entsprechen den jeweiligen historisch gewachsenen Gesellschaftsverträgen. Die EU hat in diesen Fragen keine originäre Zuständigkeit, weshalb die Kommission es den Mitgliedstaaten überlassen sollte, hier die für sie richtige Balance zu finden. Das schließt auf europäischer Ebene vereinbarte Bemessungsgrundlagen und Zielkorridore, die für eine schrittweise Harmonisierung in Einklang mit der jeweiligen nationalen Rechtsordnung sorgen, nicht aus.
Die Kommission kündigt eine Reihe von Maßnahmen an, um das „EU-Kernziel“ zu erreichen, dass bis 2030 mindestens 78 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter erwerbstätig sind. Der dbb begrüßt die Finanzierung von Projekten aus den Mitteln des ESF+, besonders auch zur Unterstützung von jungen Menschen, die weder eine Arbeit haben noch eine schulische oder berufliche Ausbildung absolvieren. Dies sollte verstärkt mit den Zielsetzungen der Fazilität des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds AMIF verbunden werden.
Der dbb sieht Reformüberlegungen der Kommission für die Rentenversicherungen skeptisch. Konkrete europäische Reformempfehlungen im Bereich der Sozialversicherung führen aufgrund der unterschiedlich gewachsenen nationalen Systeme regelmäßig zu Schwierigkeiten. Nicht ohne Grund sehen die Verträge in diesem sensiblen Politikbereich lediglich eine unterstützende und ergänzende Rolle der EU vor.
Der dbb unterstützt eine europäische Ordnungspolitik, die Europa als Investitionsstandort stärkt und Produktivitätsgewinne ermöglicht. Letzteres trägt zur Linderung des Arbeits- und Fachkräftemangels bei, während Überlegungen zu Rentenreformen den unterschiedlichen Sozialstrukturen in der EU, die in Vielfalt geeint ist, nicht gerecht werden.
Zur Unterstützung für Kompetenzen, Aus- und Weiterbildung
Der dbb begrüßt Initiativen und Maßnahmen der EU zur Unterstützung für Kompetenzen, betont aber auch hier die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten. Die Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Bildungssysteme fällt klar in die Kompetenz der Mitgliedstaaten.
Ebenso sieht der dbb Reformen skeptisch, die Bildungssysteme und Lehrpläne utilitaristisch an Arbeitsmarkterfordernissen ausrichten sollen. Es muss berücksichtigt werden, dass Bildung weit mehr als die bloße Wissensakkumulation und den Qualifikationserwerb darstellt. Sie treibt die Persönlichkeitsentwicklung voran, wirkt sich auf die kognitive, sozial-emotionale und körperliche Ebene der jungen Menschen aus und ist Grundlage der gesellschaftlichen Teilhabe und eines selbstbestimmten Lebens.
Bildung muss unabhängig von Konjunkturen sein, sich zugleich an Chancengleichheit und an der Förderung von Exzellenz orientieren und darf sich nicht allein an ihrer Arbeitsmarktrelevanz ausrichten, die immer nur eine Momentaufnahme sein kann, der auch Fehlannahmen zugrunde liegen können. Die heutigen Innovationszyklen sind viel kürzer als die Bildungszyklen von der frühkindlichen Bildung bis zum berufsbildenden oder universitären Abschluss. Umso wichtiger sind die Grundlagenvermittlung und die Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, umso wichtiger also auch die Fort- und Weiterbildung während des gesamten Berufslebens.
Der dbb begrüßt europäische Maßnahmen für die wechselseitige Anerkennung von formalen und informellen Bildungsabschlüssen, betont aber, dass diese bei aller gebotenen Flexibilität die Anforderungen der jeweiligen nationalen Bildungsordnungen nicht systematisch unterlaufen dürfen. Der dbb begrüßt Maßnahmen, die den Trend zu mehr dualer Ausbildung in Europa unterstützen und dieses erfolgreiche Modell auch in Deutschland wieder attraktiver machen.
Zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen
Die Kommission hat in den vergangenen Jahren einige wichtige Initiativen unternommen, um Arbeits- und soziale Sicherheitsstandards zu verbessern. Die jeweiligen Zielsetzungen waren aus dbb Sicht begrüßenswert, die Vorschläge gingen aber teils über die unterstützende und fördernde Rolle der EU hinaus.
Die Kommission schreibt, es seien zusätzliche Maßnahmen erforderlich, das europäische Arbeitsrecht und die Tarifverhandlungen zu stärken. Mit Blick auf die europäische Kompetenzordnung hält der dbb es für geboten, dass das europäische Arbeitsrecht so gestaltet wird, dass bewährte nationale Systeme, die bereits mindestens das angestrebte Schutzniveau bieten, nicht geschwächt werden.
So sind ganz konkret Normenkollisionen zwischen dem europäischen Recht und dem öffentlichen Dienstrecht möglich. Diese gilt es im Sinne von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit und zur Unterstützung der eigentlichen Zielsetzungen der jeweiligen europäischen Maßnahme unbedingt zu vermeiden.
Eine der zahlreichen Initiativen der vergangenen Jahre war zum Beispiel die Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen, mit der die Richtlinie über schriftliche Erklärungen modernisiert wurde. Hierin fand sich eine Bestimmung in Bezug auf die zulässige Dauer von Probezeiten, die mit dem öffentlichen Dienstrecht unvereinbar war. Das Ziel, missbräuchliche Probezeiten zu verbieten, war im Hinblick auf den Arbeitsmarkt insgesamt grundsätzlich unterstützenswert, aber eben aufgrund der Eigenständigkeit des öffentlichen Dienstrechts nicht mit den Bestimmungen für den Einstieg in eine Beamtenlaufbahn vereinbar. Denn mit Blick auf die Verbeamtung auf Lebenszeit ist die in Deutschland normierte Dauer des vorgelagerten Beamtenverhältnisses auf Probe unerlässlich. Beamtinnen und Beamte haben eine außerordentlich stark gesicherte Rechtsstellung; mitnichten können sie als prekär Beschäftigte angesehen werden. Die Ausnahmeregelung für den öffentlichen Dienst war und ist zwingend.
Künftige Maßnahmen bzw. Initiativen der Kommission müssen ebenso auf eine Weise gestaltet werden, dass ihre Zielsetzung erreicht werden kann, ohne bestehende und im deutschen Fall sogar verfassungsrechtlich gebotene nationale Rechtssysteme zu tangieren.
Der dbb tritt für eine starke Tarifpartnerschaft ein, betont dabei allerdings den Grundsatz der Tarifautonomie. Weder die nationale noch die europäische Exekutive ist befugt, diese durch Regulierung oder andere Maßnahmen auszuhöhlen. Dementsprechend betrachtet der dbb Überlegungen, die nationalen Tarifverhandlungen durch die EU stärken zu wollen mit großer Zurückhaltung.
Erstmals hat die Kommission solche Überlegungen in der Mitteilung zur Stärkung des sozialen Dialogs in der Europäischen Union KOM (2023) 40 endg. angestellt, das Parlament im Dezember desselben Jahres eine Entschließung dazu verabschiedet. Der dbb fordert die strikte Beachtung der Autonomie der Sozialpartner. In jedem Fall abzulehnen wären besondere europäische Fördermöglichkeiten, die nur bestimmten Sozialpartnern zugutekämen und somit den Gewerkschaftspluralismus in Frage stellten. Auf europäischer Ebene ist dies durch die quasi institutionelle Förderung der branchenübergreifenden Sozialpartner bereits der Fall, denn diese zementiert de facto eine Monopolstellung.
Auch neue Initiativen wie etwa ein Rechtsetzungsvorschlag zur Telearbeit und zum Recht auf Nichterreichbarkeit dürfen die Autonomie der Sozialpartner nicht untergraben. Die Frage, in welchem Umfang Telearbeit möglich ist, hängt von den jeweiligen Aufgaben- und Beschäftigungsfeldern ab. Für wesentliche staatliche Aufgaben, beispielsweise Bildung und innere Sicherheit, ist Telearbeit, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt möglich.
Strikt abzulehnen ist eine Initiative zu Arbeitsbedingungen im Bildungssektor, wenn diese das undifferenzierte Ziel verfolgt, „Tarifverhandlungen auf allen Ebenen“ vorzuschreiben. In Deutschland haben viele Lehrerinnen und Lehrer den Beamtenstatus. Für sie gilt das eigenständige öffentliche Dienstrecht.
Zur Verbesserung der Mobilität von Arbeitskräften und Lernenden innerhalb der EU
Der dbb begrüßt Maßnahmen, die die Arbeitnehmerfreizügigkeit verbessern. Die Arbeitskräftemobilität im Binnenmarkt ist ein wichtiger Faktor, um den negativen Folgen des demografischen Wandels zu begegnen. Dabei sind die nachteiligen Folgen für strukturschwache Regionen durch die Abwanderung von Fachkräften, besonders gut ausgebildeter junger Menschen, zu beachten. Die europäische Regional- und Kohäsionspolitik leistet einen unverzichtbaren Beitrag zur Angleichung der Lebensverhältnisse auf einem hohen Niveau, wobei die geopolitisch gebotenen nächsten EU-Erweiterungen in diesem Zusammenhang sicherlich eine große Herausforderung darstellen werden.
Der dbb unterstützt die wertvolle Arbeit der Europäischen Arbeitsbehörde bzw. des Netzwerks der Europäischen Arbeitsverwaltungen (EURES). Der dbb setzt sich auch für eine bessere Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland ein. Dies betrifft auch die Sozialversicherung. Der dbb betrachtet insofern den Übergang zu stärker digital integrierten Systemen der sozialen Sicherheit durch die Einrichtung des elektronischen Austauschs von Informationen der sozialen Sicherheit und perspektivisch den Europäischen Sozialversicherungspass als sinnvoll. Auch dabei ist allerdings darauf zu achten, dass die Kompetenz der Mitgliedstaaten für ihre Systeme der sozialen Sicherheit nicht in Frage gestellt wird.
Die mitgliedstaatlichen Zuständigkeiten in der Sozialpolitik, aber auch für den öffentlichen Dienst sind keine überkommenen Relikte, sondern für die demokratische Verfasstheit der Mitgliedstaaten und die Rückbindung an die Wählerinnen und Wähler und die Legitimation der staatlichen Handlungsebene und somit auch für die Identität der Mitgliedstaaten wesentlich.
Neue Empfehlungen für die Mitgliedstaaten, wie der Zugang zu reglementierten Berufen reformiert werden kann, müssen, sofern dies auch öffentlich-rechtliche Aufgaben umfassen, die Eigenständigkeit des öffentlichen Dienstrechts beachten.
Das avisierte Hochschulpaket muss bei aller grundsätzlichen Unterstützung für ein wechselseitiges Anerkennungssystem im europäischen Bildungsraum die besonderen Anforderungen, die etwa für die Lehrerausbildung oder die Juristenausbildung in einzelnen Mitgliedstaaten gelten, berücksichtigen.
Zur Anwerbung von Fachkräften aus Drittländern
Der dbb unterstützt Fachkräftepartnerschaften, um legale Wege in den europäischen Arbeitsmarkt zu verbessern, wenn diese die Partnerländer tatsächlich so in die Migrationssteuerung einbeziehen, dass irreguläre Migration effektiv eingedämmt wird. Gleichzeitig muss auf die Arbeitsmarktbedürfnisse auch der Partnerländer Rücksicht genommen und ein brain drain, der deren Entwicklungspotential beeinträchtigt, vermieden werden.
Der Arbeits- und Fachkräftemangel ist unmittelbare Folge des demografischen Wandels sowie politischer Fehlentscheidungen.
In Deutschland haben viele Unternehmen trotz einer stagnierenden Wirtschaft, die zu früheren Zeiten höhere Arbeitslosigkeit und damit die Verfügbarkeit von Arbeitssuchenden mit sich gebracht hätte, Schwierigkeiten bei der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern. Das bedeutet, dass viele Unternehmen, wo eine höhere Produktivität den Arbeits- und Fachkräftemangel nicht ausgleichen kann, ihr Wachstumspotenzial nicht mehr ausschöpfen.
An den meisten Schulen des Landes herrscht akuter Lehrkräftemangel. Es fehlen qualifizierte Erzieherinnen und Erzieher und damit Kita- und Betreuungsplätze, was dem Arbeitsmarkt zusätzliche Reserven entzieht, weil weniger Eltern Vollzeit arbeiten können.
Besonders in den Gesundheitsberufen, wo angesichts der Alterung der Gesellschaft deutlich mehr Personal gebraucht wird, fehlen Fachkräfte.
Zahlen des Statistischen Bundesamts, wie sie auch im dbb Monitor öffentlicher Dienst abgebildet sind zeigen die Entwicklung der kommenden Jahre deutlich: Bis 2035 wird über die Hälfte der heute im öffentlichen Dienst Beschäftigten im Ruhestand sein.
In vielen EU-Staaten ist die Lage ähnlich. Vor allem in Südosteuropa kommt zu den überall in Europa schwachen Geburtenraten die Nettoabwanderung junger und besonders qualifizierter Menschen hinzu, die den Fachkräftemangel in reicheren europäischen Regionen vorübergehend abmildern, dafür aber in den Heimatregionen erheblich verschärfen.
Die bereits eingetretenen Folgen des demografischen Wandels lassen sich nicht mehr umkehren. Der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter an der Gesamtbevölkerung wird auf absehbare Zeit weiter zurückgehen.
Da die beschriebene Entwicklung eine europaweite ist und Folgen für den europäischen Binnenmarkt, für das europäische Wirtschafts- und Sozialmodell und für Europas Stellung in der Welt hat, widmet die Europäische Kommission dem Gegenstand besondere Aufmerksamkeit.