Arbeitsschutz in Europa muss gestärkt werden
Die europäische Strategie zu Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz endete offiziell 2012. Ziel war eine Reduzierung der Unfallzahlen in Europa um 25 Prozent. Eine Neuauflage gibt es bislang nicht. Die Europäische Kommission wollte nun in einer öffentlichen Konsultation wissen, ob ihre bisherige Strategie von 2007 bis 2012 gewirkt hat und welche Schwerpunkte künftig gelegt werden sollten. Auch der dbb beteiligte sich an der Konsultation. „Die Zahl der Arbeitsunfälle in Europa ist in den vergangenen Jahren gesunken. Das alleine ist schon ein großer Erfolg. Allerdings dürfen darüber nicht die steigenden Gefahren durch Berufskrankheiten vergessen werden“, beschrieb Hans-Ulrich Benra, dbb Fachvorstand Beamtenpolitik und Leiter der dbb Arbeitsgruppe Arbeitsschutz, die Herausforderung für eine künftige europäische Arbeitsschutzstrategie.
Auch in Deutschland ist die Anzahl der Arbeitsunfälle zwischen 2007 und 2012 gesunken, aber nicht um die europäisch angestrebten 25 Prozent, sondern nur um etwa fünf Prozent. Die Zahl tödlicher Arbeitsunfälle an der Arbeitsstätte ist 2011 sogar um vier Prozent angestiegen. Der in vielen offiziellen Statistiken ausgewiesene leichte Rückgang ist auf spürbar weniger Wegeunfällen zurückzuführen. Auf diese Unfälle hat der Arbeitsschutz aber kaum Einfluss. Benra verwies zudem darauf, dass sich die Problemlage beim Arbeitsschutz in den vergangenen Jahren gewandelt habe: „Die relativen Erfolge durch die insgesamt sinkende Zahl von Arbeitsunfällen wird durch den erschreckenden Anstieg von Berufskrankheiten geschmälert“, so Benra. Deshalb müsse in einer künftigen Strategie auch für die Vermeidung von Berufskrankheiten eine klare Zielvorgabe enthalten sein.
Der Fokus auf Berufskrankheiten sei auch in der öffentlichen Verwaltung besonders wichtig. Fast überall in Europa sei es zu Stellenkürzungen gekommen. Benra warnte vor den langfristigen Folgen einer solchen Politik: „Die Aufgabenverdichtung führt häufig dazu, dass der Druck auf den Einzelnen stark zunimmt. Die Sparpolitik darf nicht auf Kosten der Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen.“ Einigen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes müsse dabei besondere Aufmerksamkeit zukommen, da sie teils sehr hohen Belastungen ausgesetzt seien. Dies betreffe unter anderem die Berufsfeuerwehren, aber auch Rettungsdienste.
Ein wichtiger Schwerpunkt aller aktuellen Arbeitsschutzstrategien müsse zudem auf der Prävention psychischer Belastungen und den daraus resultierenden Erkrankungen liegen, so Benra. „Allein im letzten Jahr waren psychische Erkrankungen der Grund für 53 Millionen Krankheitstage und 41 Prozent der Frühverrentungen. Das ist nicht akzeptabel.“ Die gesamte Gesellschaft leide auf längere Sicht unter den Folgen. „In der heutigen Arbeitswelt gibt es neue Gefährdungen. Darauf müssen sich die Arbeitgeber einstellen und im Dialog mit der Arbeitnehmerseite neue Lösungsvorschläge entwickeln.“ Dazu gehörten zum Beispiel eine Vertiefung gefährdungsorientierter Kenntnisse und eine Sensibilisierung in Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz, sowohl bei Arbeitnehmern als auch bei Arbeitgebern.
„Die Arbeitswelt ändert sich fortlaufend. Dabei ist es aber nicht nur die technische Entwicklung, die viele Arbeitsabläufe beeinflusst. Besonders spürbar wird sich auch der demografische Wandel auf die Arbeitswelt auswirken“, erläuterte Benra. Vor allem die Anforderungen an die Arbeitsplätze seien für ältere Arbeitnehmer anders als für junge Menschen. Dies müsse dringend berücksichtigt werden. „Hier gilt wie für die gesamte Arbeitsschutzstrategie: es darf keinen Stillstand geben. Neue Herausforderungen müssen erkannt, neue Lösungsvorschläge entwickelt werden. Von einem effektiven europäischen Arbeitsschutz profitieren alle Seiten“, so der dbb Fachvorstand.