10. Frauenpolitische Fachtagung des dbb

Tempo machen für Chancengleichheit

Auf mehr Tempo in Sachen Lohngleichstellung drängte die Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, Helene Wildfeuer zum Auftakt der 10. Frauenpolitischen Fachtagung des dbb am 19. März 2013 in Berlin. Eine Benachteiligung von berufstätigen Frauen gegenüber ihren männlichen Kollegen im öffentlichen Dienst ist „mit dem gewerkschaftlichen Gewissen des dbb nicht vereinbar“, betonte der Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt Die Fachtagung stand unter dem Motto „Was ist Frauen-Arbeit wert?“

Mit dem Appell „Helfen wir der Gleichstellung gemeinsam auf die Sprünge und machen wir die Entgeltgleichheit zur Chefsache – in der Finanz- und Steuerpolitik, in der Arbeits- und Sozialpolitik, in der Familienpolitik und in der Besoldungs- und Tarifpolitik!“ trat Helene Wildfeuer, Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung, vor die rund 250 Tagungsteilnehmer. Auch im öffentlichen Dienst sei ein „Wandel in der Arbeitskultur“ notwendig: mit stärkerer Orientierung an weiblichen Lebensverläufen und dem Abbau bestehender Hürden in der Beförderungspraxis.

Das Statistische Bundesamt hatte am selben Tag darauf verwiesen, dass der Verdienstabstand zwischen den Geschlechtern (Gender Pay Gap) sich seit dem Vorjahr nicht verändert hat: Der durchschnittliche Bruttostunden-verdienst von Frauen ist mit 15,21 Euro um 22 Prozent geringer als der ihrer männlichen Kollegen.

Die 10. Frauenpolitische Fachtagung im dbb forum berlin stand unter dem Motto „Was ist Frauen-Arbeit wert?“ In der Frage der Wertschätzung aller Tätigkeiten von Frauen sei man in den vergangenen 30 Jahren nur schleppend vorangekommen, kritisierte Wildfeuer. „Damit ist das Thema der gleichwertigen Bezahlung von Frauen alles andere als out.“ Angesichts der anhaltend großen Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen seien alle Akteure zu mehr Tempo in Sachen Lohngleichstellung aufgefordert.

Umdenken angesagt

„Noch immer stecken wir im Klischee eines von Männern geprägten Ernährermodells fest, das Frauen als Ehefrauen und Mütter definiert und ihnen die Nebenrolle der Zuverdienerin zuteilt“, konstatierte Wildfeuer und verwies auf die vielen Stunden, die Frauen mit unentgeltlicher Haushaltsarbeit zubrächten: „Ein finanzieller Wert wird diesen Tätigkeiten erst beigemessen, wenn die Leistungen extern eingekauft werden.“

Wildfeuer bemängelte zudem, dass traditionell von Frauen ausgeübte Berufe in der Regel schlechter bezahlt seien als solche, in denen vor allem Männer tätig sind. „Insgesamt scheren die Verdienste zwischen Männern und Frauen im öffentlichen Dienst um acht Prozent auseinander. In Bereichen, in denen mehr Frauen als Männer arbeiten, etwa in Erziehungs- und Betreuungseinrichtungen, finden wir sogar Lohndifferenzen von bis zu 21 Prozent.“ Familienbedingte Erwerbsunterbrechungen, schlechte Beförderungschancen von Teilzeitbeschäftigten und der bemerkenswert geringe Anteil an weiblichem Führungspersonal seien zusätzliche „Lohnlückendehnungsfaktoren“.

Als notwendige Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung am Arbeitsplatz führte Wildfeuer transparente Bewerbungsverfahren und eine verbindliche Quotenlösung mit klaren Zielvorgaben und Sanktionsmechanismen an.

Trotz der für den öffentlichen Dienst in Deutschland vorhandenen klaren Regularien gebe es noch immer signifikante Unterschiede, kritisierte auch der dbb Chef Klaus Dauderstädt in seinem Grußwort. „Dabei geht es um die Bezahlung, denn auch in öffentlichen Verwaltungen verdienen Frauen im Schnitt acht Prozent weniger als ihre Kollegen. Es geht aber auch um gleiche Chancen zum beruflichen Aufstieg“, stellte Dauderstädt fest.

Der dbb, versicherte Dauderstädt, werde sich weiter für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzen, etwa durch Mitwirkung in den Arbeitsgruppen zur Umsetzung der Demografiestrategie der Bundesregierung oder bei der Erarbeitung verbesserter gesetzlicher Regelungen wie der Übernahme der Familienpflegezeit ins Beamtenrecht.

Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, plädierte in seinem Grußwort für eine stärkere Einbeziehung von Männern in die Kindererziehung und Pflege älterer Angehöriger. Die Arbeitgeber seien in der Pflicht, ihre Angebote an die Beschäftigten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. Dies würde auch helfen, Frauen nach einer Kinderpause den Wiedereinstieg zu erleichtern.

Den Reigen der Experten-Vorträge eröffnete Andrea Jochmann Döll, Beraterin von der GEFA (Gender, Entgelt, Führung, Arbeit) Forschung und Beratung, Essen. Für die schlechteren Verdienstchancen machte sie einerseits mittelbare Diskriminierung von Frauen, andererseits Diskriminierung bei der Beschäftigung verantwortlich. Zwar sei gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit gesetzlich vorgeschrieben, dies werde aber nicht immer umgesetzt. Um das zu ändern, seien diskriminierungsfreie Arbeitsbewertungsverfahren notwendig, die sowohl Anforderungen an Wissen und Können, psychosoziale Kompetenzen und Verantwortung als auch physische Anforderungen bewerten.

Arbeitsrecht erweitern

„Frauenarbeit im Lebensverlauf – rechtliche Perspektiven“ nahm Prof. Margarete Schuler-Harms von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg in den Blick. Sie verwies auf das Leitbild des Gleichstellungsberichts der Bundesre-gierung, nach dem eine „Gesellschaft mit Wahlmöglichkeiten“ angestrebt werde. Demnach müssten Frauen und Männer durch eine gute Ausbildung befähigt werden, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen und auch eine eigene soziale Sicherung aufzubauen. Berufliche Qualifikationen beider Geschlechter müssten gleichermaßen geschätzt und entgolten werden. Schuler-Harms empfahl für das Arbeitsrecht zusätzlich zu schon bestehenden Regelungen wie Elterngeld und Partnermonaten unter anderem: Rückkehransprüche von Teilzeit in Vollzeit, Elternteilzeit mit Elterngeld und Ausweitung der Partnermonate. Zu-dem plädierte sie für den Ausbau der Ganztagsbetreuung – auch schulbegleitend – sowie für eine Abschaffung des Betreuungsgeldes.

21 Wochenstunden Hausarbeit

Der „Arbeit im Haushalt als Wirtschaftsfaktor“ widmete Michael Steiner von der Prognos AG Basel seinen Impulsvortrag. Im Schnitt verbringen Paarhaushalte mindestens 21 Stunden pro Woche mit Hausarbeit. Würden diese Aufgaben an professionelle Dienstleister delegiert, entspräche dies einem Wert von rund 21.000 Euro pro Haushalt und Jahr. 4,9 Millionen deutsche Haushalte nehmen derzeit haushaltsnahe Dienstleistungen - gegen Bezahlung ausgeführt von Personen, die nicht zum jeweiligen Haushalt gehören - in Anspruch (2010), zwei Drittel dieser Leistungen werden illegal erbracht. Zur Verbesserung dieses Marktes forderte Steiner mehr Transparenz, eine Professionalisierung des Berufsbildes und die Einführung einer qualifizierten Dienstleistungsdatenbank. Als besonderes Problem für Haushalte mit niedrigem Einkommen stellte der Experte die finanzielle Hürde heraus, haushaltsnahe Dienstleistungen als sozialversicherungspflichtige Arbeit zu vergeben.

Was Frauen im öffentlichen Dienst verdienen – das stand im Mittelpunkt der nachmittäglichen Podiumsdiskussion. Stichworte wie Benachteiligung durch Teilzeitjobs, Erziehungspausen als Karrierehemmnis, Öffnung bislang einseitig besetzter Berufe für Männer UND Frauen, bessere Bezahlung. Wilhelm Hüllmantel, Ministerialdirigent im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, betonte, wie sehr der öffentliche Dienst auf die Arbeit von Frauen angewiesen sei und vertrat die Auffassung, dass Führungsarbeit auch im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung möglich sei. Cornelia Rogall-Grothe, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, setzte sich vernünftige Regelungen der Kinderbetreuung ein. Zudem warb sie dafür, Mädchen auch für Berufe zu interessieren, die bislang hauptsächlich von Männern ausgeübt werden. Gleiche Bezahlung für Frauen im öffentlichen Dienst zu fordern war das Hauptanliegen von Christel Riedel, Projektleiterin „Forum Equal Pay Day“. Arbeitgeber und Dienstherren forderte sie auf, auch Teilzeitkräfte bei ihrem Weiterkommen zu fördern. Zum Abschluss der Jubiläums-Fachtagung versicherte Helene Wildfeuer nochmals die Entschlossenheit der dbb bundesfrauenvertretung, sich weiterhin für verbesserte Arbeits- und Einkommensstrukturen für Frauen im öffentlichen Dienst stark zu machen: „Entgeltgleichheit ist Chefsache.“

 

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