- Volker Geyer, der stellvertretende Vorsitzende der dbb akademie und Bundesvorsitzende der Kommunikationsgewerkschaft DPV (DPVKOM).
dbb Betriebsrätekonferenz: Mitbestimmung ist gelebte Sozialpartnerschaft
Die Betriebsrätekonferenz von dbb und dbb akadmie am 9. und 10. Oktober 2017 im dbb forum berlin leitete die heiße Phase zur Vorbereitung der Betriebsratswahlen ein, die von März bis Mai 2018 stattfinden. Betriebsräte aus den Fachgewerkschaften des dbb nutzten das Forum als Impulsgeber und zum fachlichen Austausch.
„Die Mitbestimmung ist ein Erfolgsmodell und muss ausgebaut werden“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der dbb akademie und Bundesvorsitzende der Kommunikationsgewerkschaft DPV (DPVKOM), Volker Geyer, zur Eröffnung der dbb Betriebsrätekonferenz. Dies gelte sowohl für die Personalräte im öffentlichen Dienst als auch für die Betriebsräte in dessen privatisierten Bereichen. „Leider haben noch nicht alle Arbeitgeber den herausragenden Wert einer gewählten Interessenvertretung in den Organisationseinheiten erkannt. Dabei leisten sie überall einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Arbeit“, so Geyer. „Deshalb muss die neue Bundesregierung die gesetzliche Mitbestimmung stärken und so die gelebte Sozialpartnerschaft in den Dienststellen und Betrieben auf ein noch breiteres Fundament stellen.“
Die Fachgewerkschaften unter dem Dach des dbb machten einen hervorragenden Job in den Betriebs- und Personalräten und sind näher dran als jeder andere an den Themen, die die Beschäftigten bewegen, konstatierte Geyer und dankte den Beschäftigten, die sich „heute und in Zukunft engagiert und verantwortungsvoll für die Belange ihrer Kolleginnen und Kollegen einsetzen.“
Interaktives Betriebsratscoaching
Wie sich Kandidatinnen und Kandidaten aus den dbb Fachgewerkschaften DPVKom, GDL, GdS und komba persönlich auf die Betriebsratswahlen im kommenden Frühjahr vorbereiten können, vermittelte anschließend Claudia-Maria Mokri. Der im Konferenz-Programm als „interaktiv“ und „mit praktischen Übungen“ ausgewiesene Vortrag, den die ausgebildete Opernsängerin und Trainerin unter das Motto „Sicher im Auftritt – Stark im Ausdruck“ – gestellt hatte, hielt, was er versprach –und brachte von Beginn an Bewegung in die Teilnehmerschar. Ausgehend von der Szene: „Die Tür geht auf, der neue Betriebsrat, den noch niemand kennt, kommt herein: Woran erkennt man, dass er genau weiß, was er will?“, entwickelte Mokri gemeinsam mit den Betriebsrätinnen und Betriebsräten nachvollziehbare Strategien für ein wirkungsvolleres Auftreten.
Die Moderatorin legte dar, womit eine 100-prozentig überzeugende „Performance“ erzielt werden kann und lieferte die praktischen Übungen gleich mit. Wer in puncto Auftreten und Argumentieren überzeugen möchte, lege seiner Selbstdarstellung folgendes Mischungsverhältnis zugrunde, hob Mokri hervor: „60 Prozent macht die Körpersprache aus – der Körper spricht immer. Nutzen Sie Signale, mit denen Sie positiv rüberkommen. 30 Prozent bewirkt die Stimme. Mit dem bewussten Einsatz von Tempo, Lautstärke, Sprachmelodie und Deutlichkeit wirken Sie glaubwürdig. Die restlichen zehn Prozent bringen die richtigen Worte: Je kürzer, eindeutiger und klarer Sie Ihre Sätze bauen, desto mehr werden Ihre Argumente den Zuhörer überzeugen.“
Hinzu kamen wertvolle Tipps, die die Teilnehmer im anschließenden Workshop mit der Trainerin vertiefen konnten: Wie bringe ich das Wesentliche in 30 Sekunden rüber? Wie beende ich einen Vortrag so, dass er bei den Zuhörern hängenbleibt? Wie bewältige ich Stress während des Wahlkampfes? Mit diesem Rüstzeug können die dbb Betriebsräte selbstbewusst in die Wahlen gehen.
Dafür sorgte auch Christina Dahlhaus in ihrem Workshop „Kandidaten und Wähler gewinnen“. Die erfahrene Betriebsrätin und stellvertretende Bundesvorsitzende der Kommunikationsgewerkschaft DPV (DPVKOM) übte ihre Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Analyse vergangener Betriebsratswahlen und entwickelte daraus neue Themen, Konzepte und Kampagneninhalte. Bei der Gewinnung neuer Betriebsräte sei ein ausgewogener Mix bei Geschlecht, Alter, Regionen, Betriebsteilen und Beschäftigtengruppen wichtig für die Akzeptanz bei den Wählern. Diese wiederum schätzten die persönliche Ansprache von Kandidatinnen und Kandidaten, die in der Lage seien, Themen und Kampagneninhalte souverän zu vermitteln.
Hohe Ansprüche, die auch von technischer Seite flankiert werden müssen. Oliver Welte, stellvertretender Geschäftsführer der dbb akademie, zeigte anhand der Nutzung sozialer Netzwerke wie Facebook, Twitter und WhatsApp, wie Nachrichten zielgenau geteilt werden können. Als wesentlichen Vorteil der neuen Medien umriss Welte die Möglicheit, auf Augenhöhe mit der Zielgruppe kommunizieren zu können, indem die Hierarchien der realen Arbeitswelt - etwa die zwischen Kandidaten, Gewerkschaften, Wählern und Gewerkschaftsmitgliedern - aufgebrochen werden.
Kampagne, aber richtig!
Einen kurzweiligen und informativen Vortrag über die Grundlagen der „Strategischen Kommunikation“ in Kampagnen hielt Volker Gaßner von der Campaigning Academy Berlin zu Beginn des zweiten Tages der Betriebsrätekonferenz.
Am Anfang jeder erfolgreichen Kampagne stehe eine ausführliche Analyse beziehungsweise Recherche sowie ein klar definiertes Ziel. Daraus ergebe sich eine grundsätzliche strategische Ausrichtung. Diese gelte es dann auf Zwischenziele und einzelne taktische Maßnahmen für zu benennende Zielgruppen herunter zu brechen und damit eine zeitlich abgestimmte Kampagnendramaturgie zu entwickeln. Zur notwendigen akribischen Vorbereitung gehöre zudem die Planung von personellen und materiellen Ressourcen. Entsprechend veranschlagte Gaßner den erforderlichen Vorlauf für eine gelungene Wahl-Kampagne mit etwa zwölf Monaten.
Bei der Kommunikation der Kampagneninhalte sei es entscheidend, so der Experte, dass eine Geschichte (Stichwort „Storytelling“) entwickelt werde, die mit möglichst einfacher Sprache die gewünschten und teilweise bereits vorgeprägten Deutungsmuster (so genannte „Frames“) bei den Zielgruppen anspreche und durchbreche: „Wir hier unten gegen die da oben“ zum Beispiel. Dabei komme es weniger auf harte Fakten an, als vielmehr auf Emotionen, die die persönliche Betroffenheit der Adressaten wecken und diese damit – auch durch stetige Wiederholung und wenn nötig auch Zuspitzung – mobilisieren. „Entscheidend ist nicht, was ich sage. Wichtig ist, was davon wie bei meinem Gegenüber ankommt“, so Gaßner.
Gewerkschaftschefs in der Diskussion
Bei der abschließenden Podiumsdiskussion mit den Bundesvorsitzender der vier dbb Fachgewerkschaften, in deren Organisationsbereich im kommenden Frühjahr Betriebsratswahlen stattfinden, drehte es sich nicht nur um erfolgreiche Wahlkampfstrategien: Den Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz wurden auch einige Anekdoten geboten, in denen „ihre“ Gewerkschaftschefs aus ihren beruflichen Anfangszeiten im öffentlichen Dienst und als Arbeitnehmervertreter berichteten.
„Als die Wiedervereinigung kam, war ich 21 Jahre alt, ich fing bei der AOK Halle an und bin in die GdS gegangen. Auf Anraten eines Cousins, der bei BMW im Betriebsrat war und mich überzeugt hatte, wie wichtig eine gute Arbeitnehmervertretung ist, habe ich mich für die Personalratswahl l aufstellen lassen und wurde 1991 ÖPR-Vorsitzender in Halle“, berichtete der aus Sachsen-Anhalt stammende GdS-Bundesvorsitzende Maik Wagner. Dieses Engagement habe er Schritt für Schritt – sowohl in der GdS, in der er 1991 als Vorsitzender des Ortsverbandes Köthen begann, als auch im Personalrat der AOK - schrittweise ausgebaut. „Ich weiß genau, was Sie machen und mit welchen Problemen Sie sich herumschlagen, dafür verdienen Sie Respekt“, sagte Wagner, der neben seinem 2012 angetretenen Mandat als GdS-Bundesvorsitzender seit 1999 in vierter Legislatur Personalratsvorsitzender der AOK Sachsen-Anhalt ist.
Claus Weselsky, dem aus Sachsen stammenden GDL-Bundesvorsitzenden, der die Wende als 30-jähriger erlebte, haben seine Kollegen auf die Sprünge geholfen. „Es war allgemein bekannt, dass ich sehr kritisch zur DDR gestanden hatte, und ein Gegner der Einheitsgewerkschaft war. Deshalb forderte man mich auf, Verantwortung zu übernehmen. Im September 1990 habe ich für die GDL bei den Personalratswahlen im Betriebswerk Dresden kandidiert und konnte danach mit einer Teilfreistellung loslegen.“ Wie es dann mit ihm weitergegangen sei, sei ja einigermaßen bekannt, so Weselsky augenzwinkernd. „Leider gibt es viel zu Wenige, die bereit sind, sich in ihrer Freizeit für andere einzusetzen, und es ist nun einmal so, dass wir dieses Engagement niemandem ordentlich vergüten können: Deshalb sind alle, die sich für ihre Gewerkschaft und die Kollegen in ihren Dienststellen einsetzen, Überzeugungstäter – echte Idealisten. Das ist sicher nicht nur bei uns in der GDL so, sondern auch in den anderen Gewerkschaften.“
Volker Geyer, Bundesvorsitzender der Kommunikationsgewerkschaft DPV (DPVKOM), wurde seine Begeisterung für Post und Gewerkschaftsarbeit quasi in die Wiege gelegt. „Ich komme aus einer Postlerfamilie, meine Oma war in meinem Heimatdorf die Posthalterin, daher war für mich immer klar, dass ich auch Postler werden möchte. Als ich dann bei der Post meine Ausbildung gemacht habe, bin ich gleich in die Gewerkschaft eingetreten und war dort auch sehr schnell aktiv“, so Geyer. Am Wichtigsten sei ihm, bei den Menschen im Betrieb zu sein. „Dort bekomme ich die ungefilterte Sicht der Angestellten mit. Betriebsräte müssen im Betrieb unterwegs sein, es heißt ja auch Betriebsrat und nicht Bürorat.“ Dabei sei es auch Teil des Jobs, über Erfolge zu sprechen: „Wir sollten selbstbewusst darstellen, an welcher Stelle wir uns erfolgreich um die Belange der Angestellten gekümmert haben.“ Am Beispiel der Callcenter-Branche skizzierte Geyer, wie wichtig Betriebsratsarbeit ist. „Dort herrschen die schlechtesten Arbeitsbedingungen in ganz Deutschland, und Betriebsräte haben es in diesem Bereich erfahrungsgemäß mehr als schwer, wenn es sie überhaupt gibt. Hier müssen wir als Gewerkschaften nicht nur für mehr Betriebsratsarbeit sorgen, sondern auch dafür, dass in den überwachenden Institutionen wie dem Zoll mehr Personal eingestellt wird.“ Errungenschaften wie der Mindestlohn seien zu wichtig und wertvoll, als dass sie von Schlupflöchern untergraben werden dürften.
Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender der komba gewerkschaft und stellvertretender Bundesvorsitzender des dbb, ist bereits während seiner Arbeit als Verwaltungsangestellter der Stadt Köln gewerkschaftlich aktiv geworden. „Wichtig für mich in diesem Beruf ist, direkt mit den Menschen in Kontakt zu stehen, die sich für andere einsetzen. Soziale Menschen begeistern mich“, sagte Silberbach. „Wenn ich zum Beispiel sehe, welche Strapazen Claus Weselsky auf sich nimmt, wie er regelrecht gejagt wird, dann macht es mich stolz, für die gleiche Seite zu arbeiten. Für den Kontakt mit solchen Menschen lebe und sterbe ich.“ Was die Betriebsratsarbeit betrifft, riet Silberbach zur Geradlinigkeit: „Ich kann nur davon abraten, bei der Vergabe von Positionen auf das falsche Pferd zu setzen. Kandidaten müssen aus sich selbst heraus für ein Thema, eine Aufgabe oder eine Position brennen. Wenn man jemanden zum Jagen tragen muss, geht es nicht. Dann muss man den Mut haben und ein neues Pferd satteln.“
Das gelte besonders mit Blick auf die tiefgreifenden Veränderungen der Arbeitswelt. So führe die Digitalisierung zu Ängsten, weil perspektivisch Arbeitsplätze davon bedroht seien. „Ich sehe darin aber auch eine Chance, wenn jetzt massive Umschulungen in andere Bereiche stattfinden, gerade beim Thema Beratung.“ Der dbb zeichne sich seit jeher dadurch aus, Situationen genau zu analysieren: „Was ist notwendig, was machbar? Arbeitsmarktprobleme, auch die daraus resultierenden wie Demografie, Rente und Pension, werden nicht ad hoc gelöst, sondern in Lösungsprozessen. Unsere Betriebsräte sind gut darin geschult, diese Prozesse kritisch und konstruktiv zu begleiten. Dafür schulden wir ihnen Dank und Unterstützung“. so der dbb Vize.