Hasse nennt Kommissionsinitiative übergriffig
„Mit vielen schönen Worten werden die Mitgliedstaaten hier aufgefordert, im Sozialbereich zu sparen“, sagte die Sozialexpertin Siglinde Hasse, Bundesgeschäftsführerin der Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS) zu einer aktuellen Mitteilung der Europäischen Kommission. Die Mitteilung vom 20. Februar zu „Sozialinvestitionen für Wachstum und sozialen Zusammenhalt“ sei ein Etikettenschwindel, so die Vorsitzende der dbb Grundsatzkommission Sozialpolitik. „Es ist hilfreich, wenn die Kommission Leitlinien für die Verwendung von Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds erlässt. Die sozialen Sicherungssysteme wie überhaupt die sozialpolitischen Ausgaben in den einzelstaatlichen Etats liegen aber nicht in der Zuständigkeit der Kommission. Diese Kommissionsinitiative ist, auch wenn sie keinen gesetzgeberischen Charakter hat, übergriffig.“
Die Ankündigung, Brüssel werde die Leistung der Sozialschutzsysteme in den Mitgliedstaaten aufmerksam beobachten und dann Empfehlungen für eine effiziente und effektive Mittelverwendung in den nationalen Haushalten aussprechen, verstößt in den Augen Siglinde Hasses gegen die europäische Kompetenzordnung. „Die Kommission drängt hier im Windschatten der Finanzkrise auf ein Feld vor, das für die Identität der Mitgliedstaaten wichtig ist“, erklärte Frau Hasse. Zudem sei gerade die Sozialpolitik ein besonders sensibles Politikfeld, das hohe Anforderungen an die demokratische Legitimation stelle. „Die Kommission kann und muss sagen, `Ihr gebt insgesamt zu viel Geld aus´, wenn Staaten gegen den neuen Stabilitätspakt verstoßen. Sie sollte sich aber in konkreten Politikfeldern mehr Zurückhaltung auferlegen“, zeigte sich die Gewerkschafterin überzeugt.
Prinzipiell sei es zu begrüßen, wenn der zuständige EU-Kommissar László Andor auf die Ziele der Strategie Europa 2020 und den sozialen Zusammenhalt verweise. „In der Tat stehen Einsparungen im Sozialbereich zumeist hohe Folgekosten gegenüber. Gerade in der Krise, wo in etlichen EU-Staaten viel zu viele, vor allem junge Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen sind, darf der soziale Zusammenhalt nicht gefährdet werden“, so Frau Hasse. Die Kommission identifiziere zwar zutreffend die größten Herausforderungen und Probleme der Beschäftigungs- und Sozialpolitik. Der Subtext der Kommissionsmitteilung laute aber, die Mitgliedstaaten sollten ihre Sozialausgaben reduzieren. „Das mit der wohlklingenden Forderung nach mehr und besseren Sozialinvestitionen in Einklang zu bringen, ist ein ziemlicher Spagat.“ Der dbb werde die einzelnen Vorschläge der Kommission genau prüfen und detailliert Stellung nehmen.