dbb Bildungsgewerkschaften

KMK-Präsidentin steht vor großen Herausforderungen

Die Berliner Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse hat am 16. Januar 2023 den Vorsitz der Kultusministerkonferenz (KMK) übernommen. Die dbb Bildungsgewerkschaften haben ihre Erwartungen an die Amtszeit formuliert.

Der Deutsche Philologenverband (DPhV) warnte ausdrücklich davor, wegen des akuten Lehrkräftemangels in Deutschland den Seiten- und Quereinstieg ins Lehramt an den Schulen künftig geringer zu qualifizieren und das Niveau der grundständigen Lehrkräftebildung abzusenken. „Wir brauchen bei der schulischen Qualität keinen Wettbewerb nach unten. Wir erwarten, dass sich Senatorin Busse als KMK-Präsidentin für die länderübergreifende Sicherung der bestehenden Qualifizierungsstandards im Bereich des Lehramts einsetzt“, erklärt die DPhV Bundesvorsitzende Susanne Lin-Klitzing. In mehreren Bundesländern würden derzeit Gesetzentwürfe vorbereitet, die für Seiten- und Quereinsteigende im Kontext der entsprechenden Besoldungsgruppen lediglich einen Bachelorabschluss als akademische Endqualifikation für Lehrkräfte an Schulen vorsehen – statt wie bisher Master oder Staatsexamen. „Wer als Lehrkraft das Abitur abnimmt, braucht einen Masterabschluss beziehungsweise das Staatsexamen als akademische Voraussetzung. Bei Seiten- und Quereinsteigern in den Schuldienst die gebotenen Qualitätsansprüche zu verringern, schadet Schülerinnen und Schülern. Wir erwarten, dass die Kultusministerkonferenz diese Niveauabsenkung für die Lehrkräftebildung nicht zulässt“, so Lin-Klitzing.

Der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) Gerhard Brand unterstützt Busse in der Wahl ihrer Schwerpunkte: „Präsidentin Busse hat schon im Vorfeld der Präsidentschaftsübernahme deutlich gemacht, dass sie nicht nur die ‚Qualitative Weiterentwicklung der Ganztagsschule in der Primarstufe‘ in den Fokus stellt, sondern auch den Fachkräftemangel im Bildungsbereich. Das unterstütze ich vollkommen. Der VBE hat in der Debatte um den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung immer deutlich gemacht, dass die Umsetzung scheitern wird, wenn die Politik es nicht schafft, mehr Personal für das Arbeiten im Bildungsbereich zu gewinnen. Ob das durch einen Staatsvertrag passieren kann, sei dahingestellt, da dieser zum einen nicht kurzfristig erarbeitet werden kann und ebenso wenig kurzfristig wirken wird. Viel wichtiger ist, dass in den Kultusministerien die Erkenntnis reift, dass der Lehrberuf deutlich attraktiver werden muss. Wer schon im Referendariat sieht, dass die Bedingungen an den Schulen direkt aus dem Hörsaal in den Burnout führen, beendet das Studium noch vor dem Abschluss oder wählt später mit dem Abschluss in der Tasche einen anderen Karriereweg. Das können wir uns nicht mehr leisten. Um mehr Personal zu gewinnen und das vorhandene zu halten, braucht es ein ausfinanziertes Bildungssystem – und klare Ideen, was denn für jede hinzukommende Aufgabe wegfallen kann.“ Eine klare Absage erteilte auch Brand kursierenden Ideen, den Lehrkräftemangel durch eine Absenkung der Qualifikation zu bekämpfen.

Jürgen Böhm, Bundesvorsitzender des Deutschen Realschullehrerverbandes (VDR), sagte: „Die Stärkung des Rechtes auf Ganztagsbetreuung und Ganztagsbeschulung, gerade in den Grundschulen, ist ein wichtiger Vorsatz und ein Ziel, das sich die neue Präsidentin der KMK zu Recht gestellt hat. Nur die materiellen Voraussetzungen, die Personalausstattung und die räumlichen Rahmenbedingungen in den Bundesländern lassen dieses Vorhaben wohl auch in den kommenden Jahren verpuffen.“ Böhm unterstrich, dass Qualität im Ganztag nur erreicht werden kann, wenn die differenzierte Ausbildung der Lehrkräfte entsprechend qualitativ hochgehalten wird, wenn in den Ländern endlich mehr Geld für die Bildung in die Hand genommen wird und die baulichen Voraussetzungen vor Ort an den Schulen entsprechend geschaffen werden. „Ganztag darf kein ideologisches Lippenbekenntnis in sozialen Brennpunkten darstellen, sondern muss sich bedarfsorientiert in den komplexen Bildungsprozess einpassen. Man kann theoretisch einen Zeitpunkt oder ein Jahr der Umsetzung festlegen, die Frage wird nur sein, ob es auch entsprechend anspruchsvoll, sinnvoll und flächendeckend umgesetzt werden kann. Das bezweifle ich“, so Böhm.

 

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