Verband Bildung und Erziehung (VBE)
Lehrkräftemangel deutlich gravierender als angenommen
Laut einer repräsentativen forsa-Umfrage, die im Auftrag des VBE unter Schulleitungen durchgeführt wurde, waren zu Beginn des laufenden Schuljahres mehr als 50.000 Stellen an Schulen in Deutschland unbesetzt.
Seit 2018 beauftragt der VBE das Sozialforschungsinstitut forsa damit, eine repräsentative Umfrage unter Schulleitungen durchzuführen und sie hinsichtlich ihrer Berufszufriedenheit zu befragen. Von Beginn an wird der Lehrkräftemangel von den teilnehmenden Schulleitungen als größtes Problem genannt. In der letzten Berufszufriedenheitsumfrage gaben dies fast 70 Prozent an. Dieses Jahr wurde erstmals erfragt, wie viele Stellen konkret zu Beginn des laufenden Schuljahres unbesetzt blieben. Das Ergebnis: im Schnitt 1,6 offene Stellen pro Schule.
Gemessen an der Gesamtheit der allgemeinbildenden Schulen in Deutschland, die das Bundesamt für Statistik für das zurückliegende Schuljahr mit 32.206 beziffert hat, ergibt dies einen Wert von über 50.000 unbesetzten Lehrkräftestellen bundesweit. Hierzu Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des VBE: „Ein bedrückender Befund, wenn man sich vor Augen führt, dass die Kultusministerkonferenz (KMK) zu Beginn des Jahres von 12.000 fehlenden Lehrkräften sprach und in ihrer Lehrkräftebedarfsprognose für 2035 von knapp 25.000 offenen Stellen ausgeht. In der Realität unserer Schulen ist die Lücke jetzt schon schätzungsweise doppelt so groß wie die KMK sie für 2035 prognostiziert und mehr als das Vierfache des Wertes, den die KMK zu Beginn des Jahres verbreitete.“
Im Schnitt konnten bundesweit 11 Prozent der Stellen nicht besetzt werden. Auch wenn dieser Wert seit 2018 zu stagnieren scheint, offenbaren die Daten auf den zweiten Blick eine Verschlechterung der personellen Situation. Gab 2017 noch gut ein Drittel der Schulleitungen an, 6 bis 10 Prozent der Stellen nicht besetzen zu können, taten dies in der aktuellen Befragung 9 Prozentpunkte weniger. Stattdessen gaben 9 Prozentpunkte mehr an, 10 – 15 Prozent oder sogar mehr als 15 Prozent der Stellen nicht besetzen zu können. Dies bedeutet, dass sich die Situation an den betroffenen Schulen innerhalb des Betrachtungszeitraumes noch einmal verschlechtert hat. Deutlich dramatischer gestaltet sich die Situation an Grund- sowie an Förder- und Sonderschulen. Hier blieben sogar 14 bzw. 15 Prozent der Stellen offen. Insgesamt gehen 84 Prozent der Schulleitungen davon aus, zukünftig stark oder sehr stark vom Lehrkräftemangel betroffen zu sein. Brand fordert: „Politik muss sich ehrlich machen. Das Schönrechnen muss ein Ende haben. Denn nur mit einem realistischen Blick auf die Herausforderung kann es eine Lösung des Problems geben. Es braucht auch ein klares Bekenntnis dazu, ob und wie ernst die Politik es mit den schulpolitischen Maßnahmen Ganztag, Inklusion, Integration und der Unterstützung von Kindern in herausfordernden sozialen Lagen meint. Werden sie nicht bedarfsgerecht umgesetzt, drohen sie zu scheitern. Die KMK muss dringend seriöse, verbindliche und methodisch abgestimmte Standards bei der Erstellung zukünftiger Bedarfs- und Angebotsprognosen durch die Länder erarbeiten. Sie sind die notwendige Grundlage für eine belastbare Gesamtprognose auf Bundesebene.“