StandpunktOhne Respekt – kein Staat: Wenn der Staat gefährlich Schlagseite bekommt

Das Vertrauen schwindet, die Kluft zwischen Exekutive und Bevölkerung wächst – das staatliche Schiff droht weiter aus dem Lot zu geraten.

Unsere Demokratie gleicht einem Schiff auf hoher See: Solange sich die Kräfte an Bord die Waage halten und Kursbewusstsein herrscht, trägt sich der Staat selbst durch raue Gewässer. Doch beginnt der gesellschaftliche Rückhalt für die Polizei zu erodieren, gerät das Schiff immer mehr in Schieflage. Der Verlust von Respekt und die Abnahme an Wertschätzung sind keine Nebensächlichkeiten, sie setzen das staatliche Gefüge einem echten Risiko aus. Mit jedem weiteren verlorenen Maß an Rückhalt wird das Schiff instabiler, es droht in schwere See zu geraten und schlimmstenfalls zu kentern.

Gewalt als Spiegel gesellschaftlicher Schieflage

Diesen Kurswechsel belegen inzwischen auch alarmierende Zahlen: Im Jahr 2023 wurden bundesweit über 105 000 Polizistinnen und Polizisten Opfer gezielter Gewalttaten – ein Anstieg von fast zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr, ein trauriger Rekord (Quelle: BKA, PKS 2023). Tag für Tag sind damit rund 290 Einsatzkräfte verbalen oder physischen Angriffen ausgesetzt. In Bayern zählte man 2024 schon über 7 300 Attacken auf Polizeibeamtinnen und -beamte, mehr als 3 000 von ihnen wurden verletzt (Quelle: Bayerisches Innenministerium). Hinter diesen nüchternen Daten stehen Menschen, die Überzeugung, Pflichterfüllung und Einsatz für die Gemeinschaft leben – und zunehmend mit Unsicherheit, Angst und Enttäuschung aus dem Dienst nach Hause zurückkehren.

Doch die Belastung kommt nicht allein von außen. Immer neue Studien und mediale Kampagnen rücken die Polizei pauschal ins Zentrum von Misstrauen und Kritik, zeichnen sie als strukturell rassistisch oder gewaltbereit. Solche Narrative generieren öffentliche Aufmerksamkeit und Forschungsgelder, bewirken aber im Alltag selten eine Verbesserung. Die Polizei wird zur Opferanode gesellschaftlicher Konflikte und Zielscheibe öffentlicher Erwartungshaltung: Wer sich dem Staat in den Weg stellt, wird zum „Aktivisten“ – Polizeiangehörige geraten selbst bei anlasslosem Generalverdacht unter Druck. Während echte Herausforderungen des Polizeialltags und demokratisches Ordnungsdenken aus dem Fokus geraten, bleibt das Bild der Polizei als Sündenbock medial allgegenwärtig.

Die Folgen sind gravierend: Das Vertrauen schwindet, die Kluft zwischen Exekutive und Bevölkerung wächst – das staatliche Schiff droht weiter aus dem Lot zu geraten.

Wenn der innere Halt verloren geht

Polizistinnen und Polizisten kennen die Herausforderungen, die sie Tag für Tag tragen. Doch bleibt die Rückendeckung aus, entstehen Frustration und Überlastung wie ein Brand im Innern, der die Organisation schwächt. Noch gravierender jedoch wirkt, was man in der Seefahrt als verrutschte Ladung kennt: Ohne stabile Unterstützung und klare gesellschaftliche Orientierung verlagern sich Loyalität und Engagement auch innerhalb der Polizei. Die Stabilität der Mannschaft löst sich auf, der Zusammenhalt der Crew leidet – und das Schiff verliert Manövrierfähigkeit und Richtung.

Zwischen Kurs halten und Kurs korrigieren

Ein routiniertes „Weiter so“ reicht längst nicht mehr. Nötig sind entschlossene Kurskorrekturen: moderne Ausrüstung, lückenloser Rechtsschutz, konsequente Strafverfolgung. Vor allem aber fordert die Zeit eine neue Kultur der Anerkennung und Wertschätzung – nicht nur wohlmeinende Sonntagsreden, sondern Rückhalt im täglichen Handeln. Nur wenn sich das Kommando an Deck und die Mannschaft einig sind, hält das Schiff Kurs – und bleibt seetüchtig, auch im Sturm.

Gesellschaft am Ruder: die Mitverantwortung aller

Doch nicht allein Politik und Führung entscheiden über den Zustand des Schiffes. Medien, Bildungseinrichtungen, Nachbarschaften sowie jede und jeder Einzelne prägen gesellschaftliche Wertmaßstäbe. Es braucht differenzierte Debatten, faire Berichterstattung und den entschlossenen Willen zum Dialog – damit das Gleichgewichtan Bord auch in bewegter See bleibt.

Blick voraus! Die entscheidende Frage im Logbuch

„Ohne Respekt – kein Staat.“ Gewalt, Misstrauen und Delegitimierung der Polizei sind keine bloßen Betriebsstörungen, sondern Leckstellen im Rumpf unseres Gemeinwesens. Was braucht es, damit unser Schiff wieder ins Gleichgewicht kommt, der Kurs stimmt und gegenseitiger Respekt der Anker wird, der uns im Sturm sicheren Halt gibt?

 

Autorin: Sabine Schumann

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